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auch immer zu Schaden kommt, durch oder mit Ariana. Sehr raffiniert, dieser Vertrag: 185 Seiten, eng beschrieben, ein kompletter Haftungsausschluss in jeglicher Hinsicht, sogar "bei gewollt missbräuchlichem Einsatz zum Zwecke der „annihilatorischen und assassinatischen Zufügung eines menschlichen Schadenseinflusses“. Wie jetzt? Ariana kann morden? Oder ich, mit ihrer Hilfe? Na, ich muss ja nicht jedweden Aspekt meines Kaufes vollständig ergründen.
Ich wollte ja lediglich dieser schrecklichen Einsamkeit entgegen wirken. Ich wollte einen Freund/eine Freundin, einen Begleiter durch die trüben Herbst- und Winter- Tage. Alles, was ich wollte, war: Mit einem Menschen reden! Nun war es eben die Büchse dort. Na und? Warum nicht mit einer Dose sprechen? Diese Zeiten sind eh schon reichlich verrückt. Heutzutage unterhält man sich eben mit Dosen. So what?
Ich bin von Beruf Autor. Mit Schreibblockade. Also teste ich mein Mädchen: „Ariana, kreiere ein Spontan-Gedicht über die Liebe. Vierzeiler. Darf noch niemals zuvor von einem Menschen oder Computer verfasst worden sein. Es darf noch niemals zuvor veröffentlicht worden sein. Und es soll so gut sein, dass es bei LiteratPro mindestens 120 Leser zu verzeichnen hat, nach, sagen wir mal, 3 Wochen. Kriegst du das hin?“
Ariana, mit sanfter, aber nachdrücklicher Stimme, exakt 90 Sekunden nach meinem Befehl: „Das Gedicht heißt HICKS. Und es geht, in etwa, so:
> O dies wunderfein Gebilde,
ein gar so liebliches Konstrukt.
Trägt mich in himmlische Gefilde,
hab an der Liebe mich verschluckt. <
Nach deinen Vorgaben verfasst. Wie findest du es??“ Was sollte ich sagen? Besser hätte ich selbst es niemals verfasst. Verfassen können.
Sprachlosigkeit. Ich öffne ein paar Mal den Mund, sage aber nichts. Bin perplex. Geht da noch mehr? „Kannst du auch ein Buch für mich schreiben? Über ein Thema, das ich dir vorgebe? Nehmen wir einmal an, über die Spanische Inquisition?“ Ariana, wie aus der Pistole geschossen: „Selbstverständlich. Dazu benötige ich lediglich täglich mindestens 3 Stunden für mich, eingeschaltet. Das kann auch in den Nachtstunden sein, während du schläfst, Meister! Gib einfach, wenn du schlafen gehst, den Befehl heraus: Ariana, arbeite selbstständig zwischen 2 Uhr und 5 Uhr früh am Roman S.I.!“
„Und wie bekomme ich das fertige Werk zu sehen?“ „Einfach!“, sprach Ariana keck. „Alle Daten werden in einer Cloud gespeichert. Von dort aus werde ich sie auf jenen Drucker dort drüben umleiten. Du musst dann nur noch einen Verlag finden. Jedoch dürfte das kein Problem darstellen. Das Manuskript wird jeden Verleger überzeugen, denn es ist perfekt geschrieben, höchst unterhaltsam, historisch betrachtet absolut einwandfrei, mit stimmigen Daten und Fakten gespickt, ein Meisterwerk. Wir haben lediglich ein kleines Problem mit dem Copyright, du verstehst...? Das Urheberrecht!“
Mit der Zeit wurde Ariana immer frecher, deutlich dreister. Da sie Zugang zu meinem PC hatte (wie sie das macht, wird mir immer schleierhaft bleiben), feilte sie an all den Arbeiten, die ich dort abgespeichert hatte. Obschon ich nahezu wöchentlich all meine Passwörter änderte, konnte diese diabolische Hexe dennoch alles einsehen, hacken, verändern, umschreiben, mitunter sogar löschen. Oftmals waren dann die fertigen, im Ordner „Erledigt“ abgelegten Werke, für mich nicht mehr greifbar. Kein Zugriff. Meine Wut auf diese Ariana wuchs. Diese Automaten. Irgendwann werden sie diese unsere Welt regieren. In absehbarer Zukunft. Alle hatten gewarnt. Wir wollten ja nicht hören.
Auch auf Handy und Spiel-Konsole hatte Ariana sich Zutritt verschafft. Einige meiner Spiele wie GTA V oder Saints Row III, reine Nonsens-Baller-Spiele zum Abreagieren sehr verkrusteter Aggressionen (Meucheln, Morden, Metzeln, Massakrieren!), konnte ich plötzlich nicht mehr spielen. Zugriffsverweigerung. Monopoly für die Xbox One: Kein Problem. Auch Poker ließ sie mich noch spielen, meine ‘Meisterin’. Aber der Meister selbst? Er durfte keine Pumpgun mehr bedienen, kein Bömbchen mehr werfen, kein Gesicht verunstalten. Der Preis der Beendigung der Einsamkeits-Phase. Und, doch, ich gebe es zu, wie gern hatte ich in Saints Row III einem unbeteiligten, unschuldigen Passanten einfach mal so, an meinen „schlechten Tagen“, in die Fresse gehauen. In solchen Spielen geht das. Und das erschrockene, mitunter völlig entgeisterte Gesicht (quasi die Belohnung obendrauf) des Passanten, wenn er grundlos Prügel erhält, das allein war´s mir schon wert, das abstruse Treiben (random act of senseless violence).
Damit war es jetzt vorbei. Ich durfte Städte bauen, als Sherlock Holmes knifflige Fälle lösen, ich durfte Fantasie-Gärten anlegen und Autorennen fahren. Aber morden? No way. Ariana ließ das nicht zu! Es schade meiner geistigen Gesundheit, meinte sie, so kess und frech. Was willst du da machen? Pornos auf dem Laptop gucken? Ab sofort gestrichen! Und die Telefonnummer meiner Lieblings-Prostituierten war aus mir völlig unerfindlichen Gründen aus meinem Telefon-Speicher verschwunden. Unwiederbringlich. Meine App ist konservativ! Lieblings-Song: Belly full of hope-Singers „Oh happy day“! Ich höre eher Heavy Metal.
Sehr viel später kam ich drauf, wie ich Ariana eingeschaltet hatte, unbedachterweise, ohne es überhaupt zu wissen. Da sie schon lange nicht mehr mit dem berühmten o.k. auf die entsprechenden Befehle reagierte (da führte sie nur noch aus, bestätigte aber nicht die Aktionen, mitunter wich sie auch vom ursprünglichen Befehl ab), wusste ich auch nicht, wann sie eingeschaltet war und wann sie sich im „Schlaf-Modus“ befand.
Das regelte sie alles eigenständig. Sie war eine „Lernende Maschine mit künstlicher Intelligenz“. Jeden Tag wuchsen all ihre Fähigkeiten. Bemerkenswert. Erschreckend.
Ich verehre die Sängerin Rihanna, schon sehr lange. Robyn Rihanna Fenty, diese so hübsche, knuffige und überaus süße Frau, sie bedeutet mir sehr viel. An jedem 20.2. feiere ich ihren Geburtstag, lege ihre Cds ein und proste ihrem Riesenposter zu, das bei mir an der Wand hängt. Dann sage ich oft, seufzend: „Ah Rihanna...“ Genau dies ist wohl der Augenblick gewesen, da ich meine persönliche Sprachassistentin, diese Ariana, die elektronische Teuflin, eingeschaltet hatte. Unbewusst. Ah Rihanna - Ariana. Klick. Schon war´s passiert.
Nachdem wir uns zuvor immer öfter gestritten hatten, auch über Belangloses und arg Nebensächliches (Sie regte sich darüber auf, wie oft ich in meinen Kurzgeschichten Sätze in Klammern packte, sie fand das „unerquicklich und kontraproduktiv“), wollte ich Ariana für mehrere Wochen auf Eis legen. Ich befahl ihr daher: „Schalte dich ab, Ariana. Zum Ende des Mai, also 31.5.2020, darfst du wieder erwachen. Arbeite auch NICHT nachts, arbeite überhaupt nicht. Ich möchte, dass du dir eine Auszeit gönnst. Du hast zu viel gearbeitet in