Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder...

Bild von Dieter J Baumgart
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„Ihr Kinderlein kommet…“ heißt es so liebevoll in einem christlichen Weihnachtslied aus dem 18. Jahrhundert. Ja, und wenn sie denn angekommen sind in der gutbürgerlichen Familie, in der gut betuchten Familie mit Haus- und Kindermädchen, Aufwartefrau und so weiter; im Waisenhaus, weil Eltern nicht auffindbar; bei psychisch kranken Eltern; bei Hartz-4- Familien; bei einer alleinstehenden, überforderten Mutter? Dann bekommen sie zunächst ihre persönliche Steuer-Nummer, denn ohne die ist der Mensch (zumindest in Deutschland) kein Mensch. Im übrigen sind ihre künftigen Lebenswege einigermaßen vorgezeichnet. Und je älter sie werden, die neuen Erdenbürger, umso mehr driften sie auseinander, je nach Milieu nach oben oder nach unten. Warum? Weil sie nicht in eine Gemeinschaft geraten sind, sondern in einen Haufen von Einzelkämpfern (so sie entsprechend gefördert wurden) oder in ein Sammelsurium von Verlierern (wenn ihnen jede Unterstützung versagt blieb).
Ja, dazwischen gibt’s auch noch alle Schattierungen, und ändern kann sich das im Laufe eines Lebens sowieso.
Um es klar zu stellen: Ich rede hier von neuen Menschen, die, je nach dem Umfeld in das sie hineingeboren wurden, was werden oder eben nicht. Weil sie keine Chance hatten, die Erfahrung zu machen, daß mit einander sinnvoller ist als gegen einander. Wohl bemerkt, weder die da oben noch die da unten hatten diese Chance. Die da oben tangiert das nicht weiter, sie sind sich selbst genug. Die da unten, die Vergessenen, haben nur ihre Wut, die sie eint.
Es ist eine explosive Mischung von Verlierern, und sie findet sich nicht erst in der Gesellschaft von heute. Es knirscht schon länger, aber morgen wird sie auseinander fliegen, die Gesellschaft.
Es sei denn, das System wird geändert. Aber das kostet Geld – und Zeit. Welcher Politiker wagt es, in Maßnahmen zu investieren, die erst nach zwanzig Jahren Früchte tragen – und dann nicht einmal in Form von Geld sondern nur in Form der Erfahrung, daß aus einer Haste-was-biste-was-Gesellschaft eine GEMEINSCHAFT geworden ist.
Der Weg dahin ist steinig und vieles, sehr vieles müßte sich ändern:
Diese Bundesrepublik ist nicht einmal in der Lage, eine völlig verfahrene, versechzehnfachte Bildungspolitik auf den richtigen Weg zu bringen. Es fehlt an Einrichtungen, es fehlt an fähigem und deshalb gut bezahltem Personal, in Kindergärten, Vorschulkindergärten und Schulen. Der Wettkampf der Länder um die besten Plätze beim PISA-Test ist eine perverse Farce!
Ja, es gibt eine Möglichkeit, diesem Fiasko zu entkommen: Schluß mit dem Separatismus im Bildungssystem. Alle neuen Menschen müssen die Chance haben, einander kennen und schätzen zu lernen. Voraussetzung dafür ist ein generelles Umdenken in dieser Leistungsgesellschaft: Einbinden statt Ausgrenzen – bevor es zu spät ist.
Vor allem aber: Schluß mit dem Kniefall vor dem IT-Altar, Informationstechnik ist ein Hilfsmittel, kein Status-Symbol.

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