Es ist nicht so, dass ich Menschen hasse. Ich werfe ihnen nur häufig vor, dass sie nicht aus Papier sind. Und dass ich sie nicht einfach zwischen zwei Buchdeckel klappen kann, wenn ich genug von ihnen habe. Ich könnte natürlich mit einem Buch nach ihnen werfen – aber was kann die Geschichte dafür, wenn ich schlechte Laune habe?
Die besten Tage sind also die, die aus Druckerschwärze bestehen, an denen es Tinte regnet und meine Augen sich gierig durch beschriebene Welten blättern. Tage, an denen es leicht fällt, die Welt draußen zu vergessen und sich, in die grüne Kuscheldecke gewickelt, mit papiernen Freunden und einem Schwarzen Tee auf's Sofa zu gießen. Denn dann besteht meine Welt für ein paar Stunden tatsächlich aus Worten – und aus dem sanften Rascheln, mit dem sie leise von Seite zu Seite huschen.
Die Welt, in die ich ihnen folge, ist mit mir gewachsen. Und obwohl es lange her ist, dass ich der Raupe Nimmersatt nachgekrabbelt bin oder mit Frederick Farben für den Winter gesammelt habe, sehe ich sie jedes Mal, wenn ich ein Buch aufschlage. Denn auch Geschichten, die wir noch nicht zu kennen glauben, sind Tore in die eine Welt, die uns immer mit offenen Armen empfängt – und wo uns die Bücherfreunde eines ganzen Lebens lächelnd an die Hand nehmen und neugierig ihren Kopf in die nächste Geschichte stecken.
Hier habe ich lieben gelernt – lange bevor ich wusste, dass man auch solche Menschen lieben kann, die nicht aus Tinte gemacht sind. Hier habe ich träumen gelernt – denn die Welt, die aus Worten besteht, ist so viel bunter als jene, in der Worte nur gesprochen werden. Und hier habe ich schließlich auch so manchen Freund an eine Geschichte verloren, deren letzte Seite schneller kam, als ich erwartet hatte.
Manchmal wundere ich mich, dass ich nicht selbst verschwinde, wann immer ich einen Buchdeckel zuklappe. Und so kommt es, dass ich ebenso viele Bücher wie Menschen im Herzen trage. Vielleicht habe ich mittlerweile ein Tintenherz.