Budapest, tausendschön - Page 2

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leise. Erst später bemerkte er, dass seine nagelneue Armbanduhr kaputtgegangen war, sie spielte, sie pfiff nicht mehr den Weckwalzer, er ging hinter die Ställe zurück und rauchte blass eine Zigarette. István Kristmans Vater spazierte um die Kassen herum, kaufte Wettscheine, setzte die Pferde auf Einlauf und verlor sein gesamtes Geld. Später bot er den Salamander zum Kauf an, das verbrannte Tier zitternd am Boden der Schachtel, kalter Wind pfiff von dem Bahndamm herüber, und niemand brauchte einen verbrannten Salamander.
Im Blumenladen lachten sie István Kristman aus. Tausendschön, auch das noch, prustete die dicke Verkäuferin; Kakteen blühen leuchtend zwischen preisgesenkten Orchideen, Grün, Grün, überall in diesem Raum, und Dunst, Dschungelstimmung im Februar. Eisiger Wind wehte vom Fluss her, und in der Vorstadt, im Hof eines Gartenhauses verbrannte ein Mann zusammengeharkten Unrat. Ein kleines Mädchen hockte frierend neben dem Feuer, erschrockene Vögel flogen hinein in den aufbrodelnden Rauch, das kleine Mädchen sang leise vor sich hin, ich ging auf den Markt … In der Innenstadt trug ein Mann einen goldgerahmten Spiegel unter dem Arm, summte dabei, wer konnte, gaffte hinein, István Kristmans Vater fror an der Bushaltestelle, dann rief er einen Bekannten an, der aber wollte nichts von ihm hören, schon wieder bist du zu spät zur Arbeit gekommen, du verstehst auch nichts, bemühen muss man sich, bemühen, brüllte der Mann, ich bekomme so viele Arbeiter, wie ich nur will, brüllte er weiter, Pünktlichkeit, Pünktlichkeit, dann legte er den Hörer auf. In einem blauem Laufanzug und roter Skimütze lief ein Mann auf der Brücke in Richtung Buda, auf den Ohren Kopfhörer, und István Kristman trieb sich auf einem verlassenen Markt herum, wollte mit einer Eisenstange eine verschlossene Bude, die eines bulgarischen Gärtners, aufbrechen, der alte Wachmann bemerkte es, setzte ihm nach, so lange sein Herz es aushielt.
Mit der Straßenbahn fuhr er dann hinaus zum Friedhof. Furchtsam ging er zwischen den Gräbern umher, konnte es denn anders sein? Auf der Bank vor dem Krematorium saß ein Schwarzer in einem orangegelben Mantel und verstand dieses Wort nicht: Tausendschön. Sanft lächelte er den Jungen an, erzählte von Totengräberkäfern, die Löcher unter die verendeten Mäuse, Ratten, Frösche oder Tauben graben, und wenn sie ihre Arbeit beendet haben, bedeckt Erde diese Gräber, dann paaren sie sich, und ihre Eier verstauen sie in den Körpern der Tiere. Das erzählte der schwarze Mann, stockend suchte er nach ungarischen Worten, während eine alte Frau aus der dunklen Allee auftauchte und zu dem Jungen sagte, sprich nicht mit dem Neger da, das ist der Teufel selbst. Der Schwarze schwieg blass, närrische Alte, nicht wahr, stieß er schließlich hervor und ergriff den Arm des Jungen. Der erschrak und rannte fort, weg von dort und hinaus. Der Schwarze lief ihm nach, warte, rief er kehllautig, und packte István Kristman bei der Straßenbahnhaltestelle an der Hand. Sein schmieriges blaues Hemd leuchtete unter dem orangegelben Mantel. Auch in der Straßenbahn drückte er die Hand des Jungen, später gingen sie in eine Wohnung hinauf, dicke Frauen kamen und gingen in den gewaltigen, dämmrigen Zimmern, und der schwarze Mann spazierte in einer rote Unterhose zwischen ihnen umher. Siehst du, Hände habe ich, Beine habe ich auch, und er zeigte auf seinen gewaltigen Körper, alles habe ich. Und das am richtigen Platz. Die Frauen lachten, tranken Wein, setzten sich rund um den Tisch, István Kristman starrte sie benommen an, trank in großen Schlucken den süßen, milden Wein, der Schwarze stand in seiner roten Unterhose auf dem Tisch und las aus einem Buch vor; ein Händler wird im dunklen Wald ausgeraubt, viele, viele Wegelagerer, der Händler, der Ärmste, setzt sich an den Straßenrand, da kommt ein Mohr des Wegs, bedauert ihn, er zieht sich splitternackt aus, die Frauen lachten laut auf, also, der Mohr setzt den Räubern nach, sieht sie auf der Straße dahinschlendern, da beginnt er in grauenhaftem Ton zu brüllen, her mit Geld, der schwarze Mann ist aus Hölle gekommen, um sein Geld zu holen, und wenn sie das geraubte Geld nicht herausgeben, dann bringt er sie geradewegs auf den Grund der Hölle, und er martert sie mit Feuer und Schwert, bricht ihnen die Zähne aus, brennt ihnen das Zahnfleisch weg, sticht die Augen aus, raus mit ihnen, die Räuber erschrecken und werfen das Geld weg. Im Zimmer johlte die Musik, der Schwarze lachte auf der Tischplatte, sein Körper wiegte sich sanft im Takt der Musik, was willst du, kleiner Junge, ich bringe alles in Ordnung, und er warf das Buch gegen den polierten Schrank. Frauen und Männer kamen mit mächtigen Blumenstraußen, das Zimmer füllte sich mit Blumen, der schwarze Mann machte sich ungeduldig daran zu schaffen, zerriss die Verpackung, das weiße Papier lag zerknüllt herum. Aber die Frauen schüttelten traurig ihre Köpfe: Gerbera, Tulpen, Nelken, Rosen - kein Tausendschön. Hey, ich erschrecke deinen Vater, heulte der Mann, das tue ich für dich, mein kleiner Freund, und er verschwand im dunklen Treppenhaus. Eine alte Frau aus der Nachbarschaft schrie, ich habe die Polizei angerufen, der Schwarze schwankte in der roten Unterhose auf dem Gehsteig, in der Hand hielt er einen mächtigen Rosenstrauß. Ein Streifenwagen bremste, was ist denn hier schon wieder los? Der Schwarze stand zwischen den zwei Polizisten, er ist mein Freund, wisperte er und zeigte auf den Jungen, die Polizisten sahen sich an, na, verzieh dich schön nach oben in die Wohnung, sagte der eine und rückte seine Mütze zurecht. Den Jungen setzten sie in den Streifenwagen, der Schwarze drehte sich langsam um, fürchte dich nicht, rief er noch zurück. Die Polizisten stiegen ein, die glauben immer, sie sind hier der liebe Gott, sie können sich alles erlauben, sagte der eine und fuhr an. Na, wo wohnst du überhaupt, du Kind?
Abends kam er zu Hause an. Der Vater saß im Zimmer, auf dem Tisch lag die Schachtel, darin der verreckte Salamander.
Ich habe kein Tausendschön gebracht, sagte István Kristman, in der Küche spielte leise das Radio, und der Vater saß einfach nur da und winkte müde ab.
Der Junge ging leise hinaus ins Badezimmer, schaute in den Spiegel, nahm das Rasiermesser, drückte die Klinge leicht an die Gesichtshaut. Ich bin dein Sohn, und du bist mein Vater, sagte er laut zum Spiegel, ich bin dir nicht böse. In der Wohnung war es warm, draußen auf den Straßen brannten summend die Neonlichter, in der Innenstadt, in einem Bierlokal rief ein Mann, dass man ihn an das Klavier in der Ecke lassen soll, er will etwas Schönes spielen, weil er sich glücklich fühlt, so glücklich, dass man gar keine Worte dafür findet. Alle lächelten, und der Mann setzte sich an das Klavier. Ein betagtes Ehepaar erreichte gerade die Eisenbahn nach Hause, der Zug rollte langsam in die Dunkelheit, im Wäldchen kauerten die Büsche in der Kälte, und István Kristmans Vater saß immer nur auf dem Stuhl, in seiner Hand die Schachtel, bis Mitternacht vielleicht sogar.

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