Der Weihnachtsabend (auch eine Weihnachtsgeschichte) - Page 15

Bild zeigt Charles Dickens
von Charles Dickens

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sie um den Tisch und erhoben Master Peter Cratchit bis in den Himmel, während er (nicht stolz, obgleich der Hemdkragen ihn fast erstickte) das Feuer blies, bis die Kartoffeln aufwallend an den Topfdeckel klopften, daß man sie herauslassen und schälen möge.

[71] „Wo bleibt nur der Vater?“ sagte Mrs. Cratchit. „Und dein Bruder Tiny Tim; und Martha kam vorige Weihnachten eine halbe Stunde früher.“

„Hier ist Martha, Mutter,“ sagte ein Mädchen, zur Thür hereintretend.

„Hier ist Martha, Mutter,“ riefen die beiden kleinen Cratchit’s. „Hurrah, das ist eine Gans, Martha.“

„Gott grüße Dich, liebes Kind! wie spät Du kommst!“ sagte Mrs. Cratchit, sie ein Dutzend Mal küssend und mit zuthulichem Eifer ihr Shawl und Hut abnehmend.

„Wir hatten gestern Abend viel zurecht zu machen,“ antwortete das Mädchen, „und mußten heute Alles fertig machen, Mutter.“

„Nun, es schadet nichts, da Du doch da bist,“ sagte Mrs. Cratchit. „Setze Dich an das Feuer, liebes Kind, und wärme Dich.“

„Nein, nein, der Vater kommt,“ riefen die beiden kleinen Cratchit’s, die überall zu gleicher Zeit waren. „Versteck Dich, Martha, versteck Dich!“

Martha versteckte sich und jetzt trat Bob herein, der Vater. Wenigstens drei Fuß, ungerechnet der Franzen, hing der Shawl auf seine Brust herab und die abgetragnen Kleider waren geflickt und gebürstet, um ihnen ein Ansehen zu geben. Tiny Tim saß auf seiner Schulter. Der arme Tiny Tim! er trug eine kleine Krücke und seine Glieder wurden von eisernen Schienen gestützt.

[72] „Nun, wo ist unsere Martha?“ rief Bob Cratchit, im Zimmer herumschauend.

„Sie kommt nicht,“ sagte Mrs. Cratchit.

„Sie kommt nicht?“ sagte Bob mit einer plötzlichen Abnahme seiner fröhlichen Laune; denn er war den ganzen Weg von der Kirche Tim’s Pferd gewesen und im vollen Laufe nach Hause gerannt. „Sie kommt nicht zum Weihnachtsabend?“

Martha wollte ihm keinen Schmerz verursachen, selbst nicht aus Scherz, und so trat sie hinter der Thür hervor und schlang die Arme um seinen Hals, während die beiden kleinen Cratchit’s sich Tiny Tim’s bemächtigten und ihn nach dem Waschhause trugen, damit er den Pudding im Kessel singen höre.

„Und wie hat sich der kleine Tim aufgeführt?“ frug Mrs. Cratchit, als sie Bob wegen seiner Leichtgläubigkeit geneckt und Bob seine Tochter nach Herzenslust geküßt hatte.

„Wie ein Goldkind,“ sagte Bob, „und noch besser. Ich weiß nicht, wie es zugeht, aber er wird jetzt so träumerisch vom Alleinsitzen, und sinnt sich die seltsamsten Dinge aus. Heute wie wir nach Haus gingen, sagte er, er hoffe, die Leute sähen ihn in der Kirche, denn er sei ein Krüppel, und es wäre vielleicht gut für sie, sich am Christtag an den zu erinnern, der Lahme gehend und Blinde sehend machte.“

[73] Bob’s Stimme zitterte, als er dies sagte und zitterte noch mehr, als er hinzufügte, daß Tiny Tim stärker und gesunder werden würde.

Man hörte jetzt seine kleine Krücke auf dem Fußboden und ehe weiter ein Wort gesprochen worden, war Tim wieder da und wurde von seinem Bruder und seiner Schwester nach seinem Stuhl neben dem Feuer geführt. Während jetzt Bob, seine Rockaufschläge in die Höhe schlagend – als wenn es möglich wäre, sie noch mehr abzutragen – in einer Bowle aus Cognac und Citronen eine heiße Mischung zubereitete, und sie umrührte und wieder an das Feuer setzte, damit sie sich warm halten möge, gingen Master Peter und die zwei sich überall befindenden kleinen Cratchit’s, um die Gans zu holen, mit der sie bald in feierlichem Zuge zurückkehrten.

Jetzt entstand ein solcher Lärm, als ob eine Gans der seltenste aller Vögel wäre; ein gefiedertes Wunder, gegen das ein schwarzer Schwan etwas ganz Gewöhnliches wäre, und wirklich war sie es auch in diesem Hause. Mrs. Cratchit ließ die Bratenbrühe aufwallen; Master Peter schmorte die Kartoffeln mit unglaublichem Eifer; Miß Belinda machte die Aepfelsauce süß; Martha stäubte die gewärmten Teller ab; Bob trug Tiny Tim neben sich in eine behagliche Ecke am Tisch; die beiden kleinen Cratchit’s stellten die Stühle zurecht, wobei sie sich nicht vergaßen, und nahmen ihren Posten ein, den Löffel in den Mund steckend, um nicht nach Gans zu schreien, ehe die Reihe an sie kam. [74] Endlich wurde das Gericht aufgetragen und das Tischgebet gesprochen. Darauf folgte eine athemlose Pause, als Mrs. Cratchit, das Vorschneidemesser langsam von der Spitze bis zum Heft betrachtend, sich zurecht machte, es der Gans in die Brust zu stoßen; aber wie sie es that, und wie der lang erwartete Strom des Gefüllsels sich ergoß, ertönte ein freudiges Murmeln um den ganzen Tisch, und selbst Tiny Tim, durch die beiden kleinen Cratchit’s in Feuer gebracht, schlug mit dem Heft seines Messers auf den Tisch und rief ein schwaches Hurrah.

Nie hatte es so eine Gans gegeben. Bob sagte, er glaube nicht, daß jemals eine solche Gans gebraten worden wäre. Ihre Zartheit und ihr Fett, ihre Größe und ihre Billigkeit waren der Gegenstand allgemeiner Bewunderung. Mit Hülfe der Aepfelsauce und der geschmorten Kartoffeln, gab sie ein hinreichendes Mahl für die ganze Familie; und wie Mrs. Cratchit einen einzigen kleinen Knochen noch auf der Schüssel liegen sah, sagte sie mit großer Freude, sie hätten doch nicht Alles aufgegessen! Aber Jeder von ihnen hatte genug und die kleinen Cratchit’s waren bis an die Augenbrauen mit Salbei und Zwiebeln eingesalbt. Jetzt wurden die Teller von Miß Belinda gewechselt und Mrs. Cratchit verließ das Zimmer allein, denn sie war zu unruhig, Zeugen dulden zu können, um den Pudding herauszunehmen und herein zu bringen.

Wenn er nicht ausgebacken wäre! Wenn er beim Herausnehmen in Stücke zerfiele! Wenn Jemand über die Mauer [75] des Hinterhauses geklettert wäre und ihn gestohlen hätte, während sie sich an der Gans erquickten – ein Gedanke, bei dem die beiden kleinen Cratchit’s bleich vor Schrecken wurden.

Halloh, eine Wolke Rauch! der Pudding war aus dem Kessel genommen. Ein Geruch, wie an einem Waschtag! das war die Serviette. Ein Geruch wie in einem Speisehause, mit einem Pastetenbäcker auf der einen und einer Wäscherin auf der andern Seite! Das war der Pudding. In einer halben Minute trat Mrs. Cratchit herein, aufgeregt, aber stolz lächelnd und vor sich den Pudding, hart und fest wie eine gefleckte Kanonenkugel, in einem Viertelquart Rum flammend und in der Mitte mit der festlichen Stechpalme geschmückt.

O, ein wunderbarer

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A Christmas Carol in Prose, Being a Ghost-Story of Christmas (wörtlich Ein Weihnachtslied in Prosa, oder Eine Geistergeschichte zum Christfest, deutsch meist Eine Weihnachtsgeschichte) ist eine der bekanntesten Erzählungen von Charles Dickens. Sie wurde im Dezember 1843 mit Illustrationen von John Leech erstmals veröffentlicht.

Veröffentlicht / Quelle: 
Der Weihnachtsabend. J. J. Weber, 1844
Prosa in Kategorie: 
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