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erwartend. Wie er dastand, fiel sein Auge auf den Thürklopfer.
„Ich werde ihn lieb haben, so lange ich lebe,“ rief Scrooge, ihn streichelnd. „Früher habe ich ihn kaum angesehen. Was für ein ehrliches Gesicht er hat! Es ist ein wunderbarer Thürklopfer! – Da ist der Truthahn. Halloh! hussah! Wie geht’s? Fröhliche Weihnachten!“
Das war ein Truthahn; er hätte nicht mehr lebendig auf seinen Füßen stehen können. Sie wären – knix – zerbrochen wie eine Stange Siegellack.
„Was, das ist ja fast unmöglich, den nach Camden-Town zu tragen,“ sagte Scrooge. „Ihr müßt einen Wagen nehmen.“
[123] Das Lachen, mit dem er dies sagte und das Lachen, mit dem er den Truthahn bezahlte, und das Lachen, mit dem er den Wagen bezahlte, und das Lachen, mit dem er dem Jungen ein Trinkgeld gab, wurden nur von dem Lachen übertroffen, mit dem er sich athemlos in seinen Stuhl niedersetzte und lachte, bis die Thränen an den Backen hinunter liefen.
Das Rasiren war keine Kleinigkeit, denn seine Hand zitterte immer noch sehr; und Rasiren verlangt große Aufmerksamkeit, selbst wenn man nicht gerade während dem tanzt. Aber wenn er sich die Nasenspitze weggeschnitten hätte, würde er ein Stückchen englisches Pflaster darauf geklebt haben und zufrieden gewesen sein.
Er zog seine besten Kleider an und trat endlich auf die Straße. Die Leute strömten jetzt gerade aus ihren Häusern, wie er es gesehen hatte, als er den Geist der heurigen Weihnacht begleitete; und mit auf dem Rücken zusammengeschlagenen Händen durch die Straßen gehend, blickte Scrooge Jeden mit einem freundlichen Lächeln an. Er sah so unwiderstehlich freundlich aus, daß drei oder vier lustige Leute zu ihm sagten: „Guten Morgen, Sir, fröhliche Weihnachten!“ und Scrooge sagte oft nachher, daß von allen lieblichen Klängen, die er je gehört, dieser seinem Ohr am lieblichsten geklungen hätte.
Er war nicht weit gegangen, als er denselben stattlichen Herrn auf sich zukommen sah, der am Tage vorher in sein Comptoir getreten war mit den Worten: „Scrooge und Marley, wenn ich nicht irre.“ Es gab ihm einen Stich ins [124] Herz, als er dachte, wie ihn wohl der alte Herr beim Vorübergehn ansehen würde; aber er wußte, welchen Weg er zu gehen hatte, und ging ihn.
„Lieber Herr,“ sagte Scrooge, schneller gehend und des alten Herrn beide Hände ergreifend. „Wie geht’s Ihnen? Ich hoffe, Sie hatten gestern einen guten Tag. Es war sehr freundlich von Ihnen. Ich wünsche Ihnen fröhliche Weihnachten, Sir.“
„Mr. Scrooge?“
„Ja,“ sagte Scrooge. „Das ist mein Name und ich fürchte, er klingt Ihnen nicht sehr angenehm. Erlauben Sie, daß ich Sie um Verzeihung bitte. Und wollen Sie die Güte haben“ – hier flüsterte ihm Scrooge etwas in das Ohr.
„Himmel!“ rief der Herr, als ob ihm der Athem ausgeblieben wäre. „Mein lieber Mr. Scrooge, ist das Ihr Ernst?“
„Wenn es Ihnen gefällig ist,“ sagte Scrooge. „Keinen Penny weniger. Es sind viel Rückstände dabei, ich versichere es Ihnen. Wollen Sie die Güte haben?“
„Bester Herr,“ sagte der Andere, ihm die Hand schüttelnd. „Ich weiß nicht, was ich zu einer solchen Freigebigkeit sagen soll.“
„Ich bitte, sagen Sie gar nichts dazu,“ antwortete Scrooge. „Besuchen Sie mich. Wollen Sie mich besuchen?“
„Herzlich gern,“ rief der alte Herr. Und man sah, es war ihm mit der Versicherung Ernst.
„Ich danke Ihnen,“ sagte Scrooge. „Ich bin Ihnen sehr verbunden. Ich danke Ihnen tausendmal. Leben Sie recht wohl!“
[125] Er ging in die Kirche, ging durch die Straßen, sah die Leute hin und herlaufen, klopfte Kindern die Wange, frug Bettler, und sah hinab in die Küchen und hinauf zu den Fenstern der Häuser; und fand, daß alles das ihm Vergnügen machen könne. Er hatte sich nie geträumt, daß ein Spaziergang oder sonst etwas ihn so glücklich hätte machen können. Nachmittags lenkte er seine Schritte nach seines Neffen Wohnung.
Er ging wohl ein Dutzend Mal an der Thür vorüber, ehe er den Muth hatte, anzuklopfen. Endlich faßte er sich ein Herz und klopfte.
„Ist Dein Herr zu Hause, meine Liebe?“ sagte Scrooge zu dem Mädchen. „Ein hübsches Mädchen, wahrhaftig!“
„Ja, Sir.“
„Wo ist er, meine Liebe?“ sagte Scrooge.
„Er ist in dem Speisezimmer, Sir, mit der Madame. Ich will Sie hinaufführen, wenn Sie erlauben.“
„Danke, danke. Er kennt mich,“ sagte Scrooge, mit der Hand schon auf dem Thürdrücker. „Ich will hier hereintreten, meine Liebe.“
Er machte die Thür leise auf und steckte den Kopf hinein. Sie betrachteten den Speisetisch (der mit großem Aufwand von Pracht gedeckt war); denn solche junge Leute sind immer sehr unruhig über solche Punkte und sähen gern Alles in Ordnung.
„Fritz,“ sagte Scrooge.
Heiliger Himmel! wie seine Nichte erschrak! Scrooge [126] hatte in dem Augenblicke vergessen, daß sie mit dem Fußhitschchen in der Ecke gesessen hatte, sonst hätte er es um keinen Preis gethan.
„Potztausend!“ rief Fritz, „wer ist das!“
„Ich bin’s. Dein Onkel Scrooge. Ich komme zum Essen. Willst Du mich hereinlassen, Fritz?“
Ihn herein lassen! Es war nur gut, daß er ihm nicht den Arm abriß. Er war in fünf Minuten wie zu Hause. Nichts konnte herzlicher sein, als die Begrüßung seines Neffen. Und auch seine Nichte empfing ihn ganz so herzlich. Auch Topper, wie er kam. Auch die dicke Schwester, wie sie kam. Und Alle, wie sie nach der Reihe kamen. Wundervolle Gesellschaft, wundervolle Spiele, wundervolle Eintracht, wundervolle Glückseligkeit!
Aber am andern Morgen war er früh in seinem Comptoir. O, er war gar früh da. Wenn er nur dort hätte zuerst sein können und Bob Cratchit beim Zuspätkommen erwischen! Das war’s, worauf sein Sinn stand! Und es gelang ihm wahrhaftig! Die Uhr schlug neun. Kein Bob. Ein Viertel auf zehn. Kein Bob. Er kam volle achtzehn und eine halbe Minute zu spät. Scrooge hatte seine Thür weit offen stehen lassen, damit er ihn in das Verließ kommen sähe.
Sein Hut war vom Kopfe, ehe er die Thür öffnete, auch der Shawl von seinem Halse. In einem Nu saß er auf seinem Stuhle und jagte mit der Feder übers Papier, als wollte er versuchen, neun Uhr einzuholen.
„Heda,“ rief Scrooge, so gut wie es ging, seine gewohnte [127] Stimme nachmachend. „Was soll das heißen, daß Sie so spät kommen?“
„Es thut mir sehr leid, Sir,“ sagte Bob. „Ich habe mich verspätigt.“
„Nun, Sie gestehen’s,“ wiederholte Scrooge. „Ich meine es auch. Hier herein, wenn’s gefällig ist.“
„Es ist nur ein Mal im Jahre, Sir,“ sagte Bob, aus dem Verließ hereintretend. „Es soll nicht wieder vorfallen. Ich war ein Bischen lustig gestern, Sir.“
„Nun, ich will Ihnen was sagen, Freundchen,“ sagte Scrooge, „ich kann das nicht länger so mit ansehen. Und daher,“ fuhr er fort, von seinem Stuhl springend und Bob einen solchen Stoß vor die Brust gebend, daß er wieder in das Verließ zurückstolperte, „und daher will ich Ihr Salair erhöhen!“
Bob zitterte und trat dem Lineal etwas näher. Er hatte einen augenblicklichen Gedanken, Scrooge eins damit auf den Kopf zu geben, ihn fest zu halten und die Leute im Hofe um Hülfe und eine Zwangsjacke anzurufen.
„Fröhliche Weihnachten, Bob!“ sagte Scrooge, mit einem Ernst, der nicht mißverstanden werden konnte, indem er ihn auf die Achsel klopfte. „Fröhlichere Weihnachten, Bob, als ich Sie so manches Jahr habe feiern lassen. Ich will Ihr Salair erhöhen und mich bemühen, Ihrer Familie unter die Arme zu greifen. Wir wollen heut Nachmittag bei einer Weihnachtsbowle dampfenden Punsch über Ihre Angelegenheiten sprechen, Bob! Schüren Sie das Feuer an und [128] kaufen Sie eine andere Kohlenschaufel, ehe Sie wieder einen Punkt auf ein I machen, Bob Cratchit!“
Scrooge war besser als sein Wort. Er that Alles und mehr noch, als er versprochen hatte; und für Tiny Tim, welcher nicht starb, wurde er ein zweiter Vater. Er wurde ein so guter Freund und so guter Mensch, wie nur die liebe alte City oder jede andere liebe alte Stadt oder Dorf in der lieben alten Welt je gesehen. Einige Leute lachten, ihn so verändert zu sehen, aber er ließ sie lachen und kümmerte sich wenig darum, denn er war klug genug, zu wissen, daß nichts Gutes in dieser Welt geschehen kann, worüber nicht von vornherein einige Leute lachen müssen; und da er wußte, daß der Art Leute doch blind bleiben würden, dachte er bei sich, es ist besser, sie legen ihre Gesichter durch Lachen in Falten, als daß sie’s auf weniger anziehende Weise thun. Sein eigenes Herz lachte und damit war er zufrieden.
Er hatte keinen fernern Verkehr mit Geistern, sondern lebte von jetzt an nach dem Princip gänzlicher Enthaltsamkeit; und immer sagte man von ihm, er wisse Weihnachten recht zu feiern, wenn es überhaupt ein Mensch wisse. Möge dies auch in Wahrheit von uns Allen gesagt werden können! Und so schließen wir mit Tiny Tim’s Worten: Gott segne uns Alle!
Druck von B. G. Teubner in Leipzig.
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Dickens Der Weihnachtsabend 1844 128a.jpg
Scrooge und Bob Cratchit beim Weihnachtspunsch.
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A Christmas Carol in Prose, Being a Ghost-Story of Christmas (wörtlich Ein Weihnachtslied in Prosa, oder Eine Geistergeschichte zum Christfest, deutsch meist Eine Weihnachtsgeschichte) ist eine der bekanntesten Erzählungen von Charles Dickens. Sie wurde im Dezember 1843 mit Illustrationen von John Leech erstmals veröffentlicht.