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Grand Budapest Hotel (Wes Anderson)
Na ja. In all den Kinos, wo einstmals junge Intellektuelle Antonioni und Bergman anguckten, sitzen heute die Sechzigjährigen und gucken so etwas. Man sollte lieber nicht fragen, wann Wes-Anderson-Filme, egal ob Familienclan in New York, französischer Meeresforscher auf hoher See, Schlafwagenreisende in Indien oder neuenglisches Pfadfinderlager, wohl aufhören werden, die Welt als Sammlung vergilbter, herausgerissener Zeichnungen aus Edward-Gorey-Büchern widerzugeben. Ein Pralinenschachtel-Film, von dem einem irgendwann bestimmt schlecht würde, ginge er länger weiter. Doch das tut er ja nicht. Wie das Leben des großen Schriftstellers, dessen in einem osteuropäischen Land um 1970 herum geschriebenes Buch wir angeblich hier zu lesen bekommen. Dieses Buch erzählt von einer glanzvollen Hotelvergangenheit, zwischen den beiden Kriegen, als die Prinzessinnen, Kunsträuber und Faschistenoffiziere sich im ostmitteleuropäischen Operettenstaat Lutz versammelten. Wie so oft bei Filmen, die mit einer Unmenge beliebter Schauspieler aufwarten, dass sie besser gar nicht genannt werden, Bill Murray, Tilda Swinton, Jude Law und Ralph Fiennes sind dabei, liest die Besetzung sich spannender als das Drehbuch, das aber auch nicht von Joseph Conrad, Thomas Mann, Marcel Proust oder Bohumil Hrabal ist, sondern nur der Kunst des Wieners Stefan Zweig nachtrauert. Wer sich kindliche Begeisterung fürs Harmlos-Schräge erhalten hat, wird glücklich wie beim Auffalten eines Pop-Up-Buches.
Hirngespinster (Christian Bach)
Sympathisches Spielfilm-Debut vom Mittdreißiger Bach, Absolvent der Münchner Filmhochschule. In der bayerisch-schwäbischen Provinz muss sich ein junger Mann mit den seit Jahren immer häufiger auftretenden, nie wirklich behandelten Schizophrenie-Attacken seines Vaters, eines Architekten mit hohem Anspruch, auseinandersetzen. Gleich so schlimm wie bei Kubricks/Kings „Shining“ kommt es zwar nicht, aber der Sohn merkt die Überforderung des als „Nesthockertum“ getarnten Abwehrkampfes gegen die Ausbrüche des Vaters und zum Schutz von Mutter und Schwester. Das deutsche Kino wird hier weder neu erfunden noch gerettet, mit dezenter Beobachtungskunst und Beharren auf einen intelligenten Ernst schafft Christian Bach aber, uns kurz denken zu lassen, sozial authentische Regisseure wie die belgischen Dardenne-Brüder könnten in Deutschland mal wieder möglich werden. Tobias Morettis Präsenz als von Wutanfällen gebeutelter Vater ist Furcht einflößend.
Who Am I - Kein System ist sicher (Baran bo Odar)
Hollywood wird ihn sich krallen und er wird uninteressante C-Filme drehen - wie Roland Emmerich oder Wolfgang Petersen - und steinreich werden. Vom ersten Bild an ist der Berliner Hacker-Thriller zum Teil Publikumsverarsche. Was wir sehen, stimmt nicht. Doch er kommt damit durch. Wir tragen es nicht nach. Von der ersten Einstellung an rast der Verschwörungs- und Geheimdienstthriller (mit Verneigungen gegenüber Wikileaks und dem dubiosen Mr. Assange) nach vorne weg. Unter einer Einserstudentin stelle ich mir nicht unbedingt die Hannah Herzsprung vor. Tom Schilling sieht inzwischen fast aus wie ein miesepetriger Heinz Rühmann, soll aber immer noch jener unterschätzte, superkluge Primaner sein, als den man ihn früher besetzte. Dafür wird auf den fast obligatorischen Moriz Bleibtreu verzichtet und der momentan feschere Elyas M’Barek genommen. (Nebenbei: Ein Film zum Abgewöhnen mit ihm: „Medicus“.)
Zwei Tage, eine Nacht (Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne)
Wahrscheinlich der beste Film des Jahres 2014. Wenn es danach ginge, wie präzise eine Schauspielerin (Marion Cotillard) sich die ihr fremde Protagonistin (eine stellungslose und depressive Solardachmonteurin in einem Vorort bei Lüttich) erarbeitet. Wenn es nach der stupenden Komponiertheit und Kontrollierheit der Inszenierung ginge. Das fügt sich in den schon bisher sehr respektablen Sozialdramen-Katalog der Dardennes nahtlos ein. Allerdings, es sei da vorgewarnt, ist das doch auch irgendwie langweilig anzusehen. Für die allermeisten Kinogänger, denen man das starr gefilmte Rosselini- oder Bresson-Mitleidskino seit langer Zeit nicht mehr zugemutet hat. Man muss nicht mal drauf achten, es ist aber nicht verboten, den Blick dieses wallonischen Brüderpaares als „dezidiert urchristliche“ Sehweise von Wirtschaft und Arbeitsleben zu lesen.
The Signal (William Eubank)
„The Signal“, zweiter Film eines gut vierzigjährigen Regisseurs, der bis jetzt als Kameramann gearbeitet hat, ist eine dieser Talentproben fürs US-Genrekino. Der klaustrophobische Science-Fiction-Thriller, der sich partiell traut, Schwarzweiß zu benutzen, erinnert etwas an „Monster“, den ersten Film von Gareth Williams, der danach seine 2014-er „Godzilla“-Rehabilitierung fertigen durfte (bei mir allerdings durchgefallen). Auch von Eubank wird noch zu hören sein. Vielleicht nicht mehr viel Gutes; der aufgeblasenen, dümmlichen Blockbuster sind ja viele. Das Drehbuch zu „The Signal“ ist immer wieder einmal richtig abstrus und darf auf keinen Fall von hinten her auf seine Stimmigkeit hin geprüft werden. Es geht um junge Leute, die Begegnungen mit Außerirdischen erleiden. Mehrfach wechseln Genre und Look. Beginnend als Haunted-House-Found-Footage-Horror wandelt er sich zur Rebellion junger Test-Versuchskandidaten in einer Zukunftsdiktatur. Es folgt eine Flucht durch die kalifornische Wüste, die von fern an „Easy Rider“ und „Zabriskie Point“ gemahnt. Es möge erlaubt sein, einen Film auch wegen der Schönheit seines männlichen Hauptdarstellers zu empfehlen, nämlich des 25-jährigen Australiers Brenton Thwaites.
Gone Girl (David Fincher)
Nicht so makellos wie „Zwei Tage, eine Nacht“, aber auch nicht so langweilig. Was man beim zweiten Sehen erst richtig merkt: ein äußerst virtuos entwickeltes Werk. Jede Minute sitzt exakt richtig im Gesamten, alles und jedes hier ist Funktion, leitet vom Davor ins Danach. „Gone Girl“ ist eine werkgetreue Bestsellerverfilmung. Geschrieben von einer Frau, einer, die mit ihrer Kollegin Patricia Highsmith einen spöttischen Blick auf den Kitsch weiblicher Lebensentwürfe teilt. „Gone Girl“ wechselt den Spannungsmotor auf offener Strecke mehrmals. Irgendwann wird es einem zu viel. Warum ist die schriftstellernde Frau eines Cafébesitzers in Missouri eines Morgens weg? Dreht sie dem Ehemann einen Strick, indem sie eine Mordgeschichte vorspielt? Dann: Aber war er es doch und die Naivität eine geschickte Tarnung? Dann wird sie verhaftet, ein Starverteidiger muss her. Hier ein Zeitsprung zurück und wir sehen sie ganz viele Kugelschreiber, mit denen sie das den Mann belastende Tagebuch gefälscht hat, aus dem Auto werfen. Sie besinnt sich auf einen früheren Liebhaber, steuert mit diesem gleich schon wieder auf eine Bilderbuchehe zu. Geht dann aber doch wieder heim, als des Gatten verlogene Erschütterung im Fernsehen immer perfekter aussieht. Man enträtselt, was Fincher am Buch interessiert hatte: amerikanische Ehe als Zwangsmittel, seinen Ehepartner dazu zu kriegen, falsche Jugendträume doch noch wahr zu machen. Ehe als kalter Krieg, Privatleben als Lügen vor Publikum. Erfreulich ist das nicht, zu gehässig analytisch, um einen sehr entspannten Krimiabend zu liefern.
Birdman (Alejandro González Iñárritu)
Jubel, Trubel, Tränen um eine Theaterproduktion am