18 – Lebenssplitter "Verbrannter Arm"

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von Heide Nöchel (noé)

Aber weshalb ich überhaupt angefangen habe, von Klaus zu erzählen: Einmal besuchte ich Klaus in seiner Wohnung, als seine Mama auch da war (zu mir durfte niemals jemand kommen, egal wer). Jede Wohnung hatte einen kleinen quadratischen Eingangsbereich, von dem die Zimmertüren abgingen, bei uns trat man rechts in die Küche, bei Klaus links. Aber identisch war die Küchenausstattung mit einem Gasherd und zusätzlich einem Kohle-Herd, auf dem auch richtig gekocht werden konnte. Bloß, dass der bei uns nie „an“ war, will sagen, die Herdoberfläche war kalt (außer im Winter).

Nicht so bei Klaus. Die Familie hatte Feuer im Herd, was dafür sorgte, dass die ganze flächige Herdplatte heiß war. RICHTIG heiß. Was ich nicht wusste.

Deshalb stützte ich mich mit meinem rechten Unterarm darauf ab, als ich bei meinem Run zur Tür ins Straucheln geriet. Vor lauter ungläubigem Schrecken ließ ich meinen Arm noch auf der Platte liegen.

Dann drang der Schmerz voll durch zu mir. Ich lief plärrend und heulend zu unserer Wohnung eine Etage drunter. Oma Anni machte alarmiert die Tür auf und wusste erst gar nicht, was los war. Dann erfasste sie die Bescherung.

Das Erste, was sie machte: Sie trug mit einer Gänsefeder Öl auf die verschmorte Auflagefläche auf. Das brachte mich erst recht zum Heulen, es feuerte so entsetzlich!

Das nächste angewandte Hausmittel: Mehl, so dass - zusammen mit dem Öl -, eine Art Pampe entstand. Dieserart großzügig eingemehlt, mit einem glühenden Unterarm, stand ich immer noch brüllend vor Schmerz vor ihr.

Da wurde wohl auch ihr anders. Sie umwickelte alles mit einem Küchentuch und zog mich an der Hand hinter sich her zum Kinderarzt, eine halbe Stunde Fußweg, Schlachtschiff Oma vorneweg, heulendes Elend im Kielwasser.

Der Arzt sagte was von „Brot backen“, aber ansonsten nicht mehr viel. Ich erinnere mich nur noch, wie er mit einer Pinzette und viel Geduld Fetzen nach Fetzen von meinem Unterarm zog, bis es nur noch eine einzige nässende Wunde war ... und wie gut das tat, dass er mir die Haut bei lebendigem Leib abzog – im wahrsten Sinn des Wortes.

Diese Prozedur wurde in den nächsten Tagen noch öfter wiederholt und barg für mich nur Angenehmes. Ich genoss auch die Sorgfalt, mit der das geschah. Oma Anni stand im Hintergrund und schwieg.

Wie lange der Heilungsprozess insgesamt gedauert hat, erinnere ich nicht mehr. Auch nicht, ob damals dann Quark eingesetzt wurde. Ich weiß nur, dass ich null Narbe zurückbehalten habe. Eine Zeitlang war noch ein kleiner Querstreifen zu sehen, Richtung Ellenbogen, aber in meinem inzwischen erreichten Alter deutet äußerlich nichts mehr auf die traumatische Erfahrung von damals hin.

noé/2014

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