Gedanken zu Johann Sebastian Bach (1685-1750) nach der Novelle „Vor deinen Thron tret’ ich…“ von J. Nagibin
JSB hatte in seinem wirklichen Leben nicht viele gute Tage und hätte gut fragen können: Gibt es ein Leben vor dem Tod?
Nie kam er wirklich heraus aus täglichen Existenznöten, Nichtachtung, kleinlichen Streitereien mit geizigen oder wortbrüchigen Brotherren, Unverständnis seiner Musik, erbärmlichen Verhältnissen, Ignoranz von allen Seiten usf., und dennoch schuf er geduldig und bescheiden zeitlose Meisterwerke, es kam „von oben“ und musste durch ihn in die Welt, und es hat lange gebraucht, aber: Alle Zeit ist Gottes Zeit.
Wir haben ihn vor Augen in Schnürrock und Staatsperücke, seiner „Uniform“ bei festlichen Konzerten, den wahren JSB jedoch würden wir nicht erkennen, wenn er heute an uns vorbeiginge, und sein schweres Los würden wir nicht teilen wollen. Im Leben kaum beachtet und dann ganz vergessen, bis der Göttinger Musikgelehrte Forkel ihn Anfang des 19. Jahrhunderts „entdeckte“ und eine erste Biographie verfasste, F. Mendelssohn- Bartoldy 1829 in Berlin seine „Matthäus- Passion“ aufführte und A. Schweitzer Anfang des 20. Jahrhunderts ein erstes bedeutendes Buch über ihn schrieb. So konnte er reichlich spät, nämlich ca. 80 Jahre nach seinem Tod, eine Weltkarriere beginnen, und seine sterblichen Überreste wurden zweimal umgebettet, zunächst vom Friedhof der St. Johannen- Kirche auf den der Thomas- Kirche und schließlich in die Thomas- Kirche selbst. Die Kupferplatten mit seiner „Kunst der Fuge“, auf Kosten von Carl Philipp Emanuel gestochen, wurden von Wilhelm Friedemann zum Materialwert verschleudert. Seine zweite Frau Anna Magdalena, einst bekannte und gefeierte Sängerin, überlebte ihn um zehn Jahre als „Almosenwittib“ und starb in einem Leipziger Armenhaus.