Heute habe ich etwas Ungesetzliches im Visier: Ich möchte einen Gefangenen befreien! Seit vielen Jahren bekomme ich anonyme Briefe von ihm – ich weiß also nicht genau, wo er inhaftiert ist. Aber ich habe einen Verdacht! Sein Verlies muss sich in einem Hochsicherheitstrakt befinden!
Wie werde ich vorgehen? Mein Schlachtplan muss kompliziert sein, damit ich Erfolg haben werde. Die erste Frage ist: Wie wird er bewacht?
Anscheinend sieht sein Gefängnis wie eine Zwiebel aus – ihn umgeben sieben Schalen! Aber er muss doch dort rauszuholen sein ...
Baue ich eine Rakete, um ihn auf den Mond zu schießen? Oder erwirke ich eine Besuchserlaubnis und schlage ihn tot? Dann wäre er ebenfalls frei! Nein, ich muss ein Elixier erfinden, das ihn unsichtbar macht … unsichtbar für die Macht! Denn die Macht hat uns alle eingesperrt!
Sie treibt ihr Schindluder mit uns und sie verteilt Kindernamen – sie hegt und pflegt das Verderben wie ein süßes Baby und sie lässt uns darauf aufpassen … wir müssen uns täglich wickeln, als wären wir unzurechnungsfähig…was wir tatsächlich auch sind! Eine Befreiung des/der Gefangenen ist da sehr unwahrscheinlich!
Überall ist der Hochsicherheitstrakt! Und täglich droht das Gespräch mit dem Anstaltsleiter … Irgendwer hat sich wieder einmal geprügelt! Wir kennen ihn nicht einmal, aber wir sollen dafür bestraft werden … die Ordnungsmacht holt uns aus den Zellen – wir müssen uns ausziehen …
Danach werden wir eiskalt abgeduscht – wobei wir auch noch beten sollen! Jetzt erst bemerke ich, daß ich es selbst bin, den ich befreien möchte, aber ich verstehe gleichzeitig, daß das nicht geht, solange die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung eingesperrt ist.
Sie leidet unter den vielen Zwangsmaßnahmen und sie bekommt andauernd Therapien verpasst, die sie ruhigstellen soll. Die neuen Richtlinien der Anstaltsleitung lauten: „Wir müssen die Inhaftierten zu Delinquenten machen, damit sie die Hoffnung auf ein Leben in Freiheit abschreiben."
„Draußen“ ist es nicht besser als „Drinnen“ – im Gegenteil: Drinnen sorgt man für unsere Vernichtung. Man hat uns klargemacht, daß wir allesamt nichts taugen – nur die Mächtigen taugen, aber nur, solange sie uns erzählen, daß wir es nicht tun. So lautet die tägliche Botschaft!
Man will uns loswerden – aber nicht, indem man uns die Freiheit gibt, sondern indem man uns auf den elektrischen Stuhl schickt! Den Weg dorthin sollen wir „anständig“ und vor allem demütig gehen. Ich habe aber keine Lust, uns der Reihe nach aussterben zu sehen, nur weil die Wärter immer mehr werden.
Mein Verständnis für diesen Vorgang hält sich in Grenzen – und deshalb habe ich kein Mittel zur Unsichtbarmachung erfunden, sondern eines, das mich hell unter den anderen aufblinken lässt. So spaziere ich einfach hinaus, denn ich bin unantastbar, solange ich leuchte!