Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

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von Alf Glocker

53. Schritt

Dem momentanen Abwärtstrend nach zu urteilen,
befinde ich mich demnächst in der High Society!
Der Boden unter meinen Füßen
ist nicht nur heiß, er ist nicht mehr vorhanden!

Der Teufel (oder sonst ein sympathischer Geselle)
blickt schon zum Klofester herein,
bereit mi den Arsch aufzureißen,
aber mein Spiegelbild lacht sich dumm und dämlich.

Heureka! Die Luftballone schweben auf mich herab
und jeder von ihnen trägt ein kleines Schloss
auf dem Rücken, auf dem Bauch, in der Luft,
die ihn ausfüllt, wie sie auch mich ausfüllt.

Genau genommen ist genaugenommen wieder nichts.
Nur die Geistesstrategen hinter meinem Rücken
(ich fühle mich beobachtet wo ich auch bin),
haben uns allen, oder nur mir, versprochen eklig zu sein!

*

54. Schritt

Sei gar fröhlich, Freund der Sinne,
auch des Wahnsinns geiler Fund –
widme dich dem Glanz der Minne
und des Großhirns Muskelschwund,
tanz‘ auf dem Vulkan des Bösen,
denn du bist von Lust umgeben.
Dich braucht niemand zu erlösen –
Du darfst Spinner-Netze weben!

Gloria! Ehre dem der keine hat!
Das Betrugssystem ersprießt!
Schachere dich beizeiten matt –
bevor du deine Blumen gießt,
wirf gleich alles auf den Müll!
Du kannst doch nicht viel verlieren!
Und jetzt sei lieber endlich still,
weil andere für dich kapieren!

Wegbegleiter sind die Wegbegleiter,
die sich, wegbegleitend, preisen,
denn sie steigen auf der Leiter
aller wegbegleitender Begleiter,
dort, worauf die Hühner scheißen,
atem- und beraubend schnell,
von sich aus ab ins Klientel!

Und dort darfst du sie bejubeln,
wenn sie um sich werfen mit Erfolg,
mit Euros, Dollars, Franken, Rubeln,
und du gehst zum Raben Kolk,
der dich wegfrisst, von dem Rad,
auf das dich Idioten flochten.
Doch, sag‘ niemals „oh, wie schad‘“ –
brenn die Kerzen an, an Dochten!

*

55. Schritt

Superschwer herauszufinden:
Wo bin ich? Wer ist Ich?
Ich wohnt in einem Haus,
das ihm früher einmal
als Sommer-Residenz
vorschwebte, aber Ich
erkennt sich dort nicht,
wenn er zum Fenster hinausschaut.

Zum Fenster habe ich alles
hinausgeworfen: meine Hoffnungen,
meine Geniestreiche, die welche sind,
wenn man einmal berücksichtigt,
daß ich autistisch erzogen wurde,
obwohl ich ganz anders veranlagt
war, bin und immer sein werde –
doch das tut jetzt nichts mehr

zur Sache

komme ich mit dieser Verspätung
ohnehin nicht – es geht nicht!
Nichts ist unmöglich…
außer den Vorbereitungen zum Erfolg
im Nachhinein, wenn man das
meiste bereits verpasst hat,
um noch mithalten zu können,
in einem mörderischen Dasein!

„Komm“, sage ich zum Wahnsinn,
„gehen wir ein Stück auf der
Uferpromenade, wo sich die Naiven,
Hand in Hand den Mondaufgang
ansehen, bis sie, einer nach dem anderen,
auf seine Rückseite geschossen werden,
damit eine Hand voll Vollidioten,
eine immerwährende Party abzünden kann!

*

56. Schritt

Große Leere, sei mir aufgewogen,
mit 3 Paar Schuhen aus Granit –
auch aus Blei würden sie passen.
Dann sei das Himmelszelt gebogen.
Das nehm‘ ich eben auch noch mit –
und außerdem nehm‘ ich’s gelassen.

Gelassen, wie man was nur lassen
kann, wenn man beileibe nicht
versteht und doch dabei sein soll.
Es ist ein Schandfleck, dieses Ich!
Der Körper mit des Blei’s Gewicht,
ist angefüllt, trotzdem nicht voll –

es fehlt einfach das Protokoll,
das, fein geschnitzt, ein Ja besagt,
unverfänglich, ohne taube Nüsse.
Denn wer da Grund hat, daß er klagt,
dem tritt etwas auf seine Füße,
das sich ans Tageslicht nicht wagt…

weil es, verschlüsselt dies besagt:
Komm niemals her, wenn aber doch,
dann bleib nicht ungeschützt, den Kopf
warm eingehüllt ins Blödeljoch!
Verlier‘ ihn so du kannst und lach‘,
sonst kriegst du sofort eins auf’s Dach!

©Alf Glocker

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