Sie ist jetzt 59, und so lange sie denken kann, hat sie sich nie richtig glücklich gefühlt, und wenn doch, dann immer nur für kurze Zeit. Was ist es nur, was hat sie, dass das Schicksal ihr immer die falschen Männer bescherte? Dabei hat sie alles getan, damit sie sich wohlfühlen, sie hat sie umsorgt und bedient, und zum Dank wurde sie ausgenutzt und verlassen. Dreimal war sie verheiratet, und sie hat eine erwachsene Tochter. Ihr letzter Mann, mit dem sie 15 Jahre zusammen war, verließ sie wegen einer 22- jährigen Bulgarin, die er im Frankfurter Bahnhofsviertel kennengelernt hatte. Sie bekam ein Kind von ihm, ging zu den Eltern zurück, und er ging hinterher, um kurz darauf voller Reue zurückzukehren. Das ist nun auch schon wieder zwei Jahre her, und inzwischen lebt er mit der jungen Frau zusammen in Frankfurt.
Vielleicht war das alles gut so, denn seit einem Jahr ist sie frei und fühlt sich seither wegen der engen Beziehung zu Friedberg wie im Siebten Himmel, sie hätte nicht geglaubt, dass ihr das noch einmal passieren würde. Friedberg ist ein hoher Bundeswehroffizier, Fallschirmjäger- Oberst, sie hat eine Parade- und eine Felduniform von ihm bei sich im Schlafzimmer hängen, mit dunkelrotem Barrett. Friedberg kam mit dem Hochwasser, denn er ist Spezialist für Katastrophen jeder Art und hat als Einziger das Knowhow in Form eines geheimen Computerprogramms, zu dem nur er allein Zugang hat, denn er hat es selbst entwickelt. Es betrifft nicht nur den Hochwasserschutz, sondern auch Bürgerkriegs- und Terrorabwehr für den Irak, Afghanistan und neuerdings auch für die Türkei und Ägypten. Immer wenn es brennt, wird er gerufen und arbeitet dann praktisch Tag und Nacht vor Ort, deshalb kann er auch nur ganz sporadisch mal kurz vorbeischauen, um sich zu regenerieren und zu schlafen. Manches Mal hat sie schon gedacht, dass auch er nur so ein…, aber das ist ganz unmöglich, nicht Friedberg, er ist halt ein führender Militär, solche Männer sind nicht mit normalen Maßstäben zu messen, in ihren Händen liegt das Schicksal von Millionen.
Dass sie so wenig von ihm weiß, liegt an seiner beruflich bedingten Verschwiegenheit, denn was er macht, ist streng geheim, man darf ihn gar nicht danach fragen. Er hält den Kopf hin für so viele betroffene Menschen und schultert die schwierigsten Probleme, das ist typisch für hochrangige Militärs. Seit seinem letzten Besuch weiß sie, dass ständig ein Hubschrauber zu seiner Verfügung steht, er könnte ihn auch selber fliegen, aber er hat einen eigenen Piloten, der ihm den Rücken freihält. Auch das ist streng geheim, sie soll das um Gottes willen niemand erzählen.
Er ist so vornehm und zurückhaltend und stellt sich nie in den Mittelpunkt, obwohl er doch Grund genug dafür hätte. Gern wüsste sie mehr über ihn, aber sie will nicht aufdringlich sein oder ihn gar verärgern, im Gegenteil, sie hilft ihm immer gern aus finanziellen Verlegenheiten, weil sein Gepäck mit sämtlichen Papieren immer im Hubschrauber liegen muss. Sie hatte zwar schon oft dieses Kribbeln im Bauch, aber bei ihm ist alles anders, schon wenn sie an ihn denkt, ist sie voller Vertrauen und innerem Frieden.
Wenn das mit dem Hochwasser vorbei und die Terrorgefahr endlich gebannt ist, dann wird für sie beide eine schöne gemeinsame Zeit kommen, von der sie zwar momentan nur träumen kann, aber das allein macht sie schon glücklicher, als sie jemals vorher war.
2013