Die schwarze Weste

Bild von Xenia Hügel
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Es war Regen, oh Mutter. Es war ein starker Regen, Mutter. Es war wahrscheinlich der erste, stärkste und intensivste Regen in diesem Jahr. Es war der Regen des Novembers. Meine schwarze Weste wurde angefeuchtet. Mein weißer, gebügelter Hemdkragen, den du immer unter der Schulkleidung hervorgezogen und darauf beharrt hattest, dass er ständig sauber bleibt, dass er jeden Tag sauber ist, wurde nass. Mutter, ich wurde angefeuchtet, danach ging ich in den Keller, nämlich in unsere Wohnung. Und im Übrigen wohnt niemand hier, wo ich gerade lebe, im Keller, selbst ich nicht. Ich wohne im Erdgeschoss eines Gebäudes, das an der Ecke von zwei Straßen liegt, deswegen gibt’s hier gar keine Ruhe. Davor steht eine Ampel, an der Autos geräuschvoll halten und abfahren. Und trotzdem zahle ich dafür eine hohe Miete. Du wirst dich sicherlich wundern, wenn ich dir erzähle, wie hoch sie ist. Du wirst mir verwundert sagen:
Dein Vater konnte diesen Betrag in einem ganzen Jahr nicht verdienen!
Doch ich weiß es, Mutter, ich weiß es…

Der Regen war so heftig und intensiv und ich rannte in unsere Kellerwohnung. Immer hattest du die Tür geschwind aufgemacht, als du das Geräusch meiner Schritte auf der Treppe hörtest. Stets lächelnd sagtest du mir, nachdem du mich in die Arme nahmst: „Na, was hast du heute gelernt?“.

Sollte ich dir sagen, der Regen ließ mich alles vergessen. Allerdings hattest du dieses Mal die Tür nicht geöffnet. Ich hatte öfter geklopft. Ich hatte an der geschlossenen Tür lange geklopft, bis ich die Stimme der Tochter unserer Nachbarn hörte, die über uns lebte (hieß sie wohl Rihab oder vielleicht Ruayda?..), sie sagte zu mir: „Es gibt niemanden in eurem Haus. Niemanden“.
„Und wo ist meine Mutter denn?“ fragte ich. Sie antwortete: „im Krankenhaus.“
-Und mein Vater?
-Er ist bei ihr.
Dann hatte sie hinzugefügt: „Meine Mutter sagt, komm zu uns“.

Es war ein starker Regen, Mutter. Ich ging zu den Nachbarn, und er blieb so stark. Ich hatte lange gewartet, Mutter, bis mein Vater alleine zurückkam.
Die Nachbarn hatten überhaupt nichts gesagt, nur unsere Nachbarin weinte und umarmte mich. Dann wusste ich schon, dass es draußen immer noch stark regnet und meine schwarze Weste nicht mehr sauber bleibt, wie sie immer war, und dass mein weißer Hemdkragen nicht mehr unter meiner Weste zu sehen sein wird, wie du ihn immer sehen wolltest. Ich bin sehr schmutzig geworden, Mutter. Sehr dreckig und niemand macht für mich die Tür auf, während ich die Treppe herunterkomme. Ich erzähle niemanden mehr, was ich in der Schule gelernt habe. Niemanden mehr, Mutter.

Paris 16.03.1994
Jamil Hatmal

The Arab short-story Writer, Journalist and political Activist. (1945-1995)

Genehmigung und Übersetzung: Swar Malla

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