Mit einem trockenen „Tock!“ spaltete die Axt das Holz. Durch die Wucht des Hiebes schleuderten die beiden Scheite rechts und links in den Schnee; die Spitze der Axt blieb in dem Baumstumpf stecken, der ihm als Hackklotz diente.
Froh, sein heutiges Pensum geschafft zu haben, und jetzt doch ein wenig außer Atem, hielt er inne, stützte sich mit einer Hand auf den Stiel seiner Axt und schaute um sich.
Die Stille war überall.
Nachdem auch dieses letzte von ihm verursachte Geräusch verklungen war, lauschte er ihrem Knistern, hörte, wie sie sich sammelte. Sie hatte gewartet; jetzt näherte sie sich in Wellenform, jenes Geräusch-Vakuum zu füllen, das durch sein Arbeitsende entstanden war.
Er fühlte sie kommen, sie strömte auf ihn ein, von allen Seiten gleichzeitig, wie das Anstranden einer Brandung – und er: eine einsame Insel, verloren in der Unendlichkeit eines Ozeans.
Er liebte diesen Moment, er war ihm eine sinnliche Freude, jedes Mal, und er machte sich bereit. Nicht einen Muskel bewegte er. Er stand und wartete, den Kopf hoch erhoben. Dann klinkte er bewusst die Ohren frei – er nannte das „Aufknöpfen“ -, stellte sie auf Durchzug, zitterte ein wenig in der Erwartung.
Und endlich spürte er, wie die Stille ihn erfüllte, wie sie ihn durchdrang, ihm nach und nach alle Poren öffnete, ihn durchlässig machte, ihn durchspülte, reinigte, innerlich wusch.
Er bot der Stille kein Hindernis; sie umströmte ihn nicht - sie floss durch ihn hindurch, sein Atem wurde ganz flach und behutsam, um keine Turbulenz zu bilden. Er ließ die Stille in sich hineinfallen und wurde Teil von ihr, ergab sich dem Genuss.
Im Hintergrund tropfte sich monoton und leise der lange Eiszapfen neben der Hüttentür in seine Wahrnehmung.
Ein plötzlicher Windhauch winkte mit einem Föhrenzweig und streute flüsternd Puderzucker auf die Schneedecke darunter, während eine erschrockene Amsel kryptische Schriftzeichen ins unberührte Weiß stenografierte, auf ihrer Suche nach neuer Sicherheit.
Von ganz entfernt hallte ein Frage- und Antwortspiel zweier Krähen echohohl durch den Wald.
In einem tiefen Atemzug weiteten sich seine Lungen: Wer brauchte die Stadt, wenn er hier in solchem Reichtum baden konnte!
Konzentriert sammelte er die Scheite ein, warf sie in den Korb, die Axt legte er obenauf. Unter seinen schweren Schritten knirschte der Schnee, als er die Früchte seiner Arbeit ins stille Innere der warmen Hütte trug.
noé/2016
Kommentare
Dieser Text gefällt mir. Gut!
Denn er beweist der Stille Glut...
LG Axel
Ein schönes Bild, es erzeugt eine ganz eigene Spannung.
Liebe Grüße,
Susanna
Ein sinnlicher Text, der die Chance bietet, in diese Stille einzutauchen. Ein Genuss.
LG Monika
Vielen Dank denen, die eintauchen konnten und wollten ...
Feiner Text!