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von einer Seereise, die er in Wirklichkeit nie machen wird
Wir fuhren weiter und von nun ab ging es ein, zwei Kilometer nur noch bergauf, teilweise wirklich steil. Ganz oben stand eine kleine, einfache Hütte mit einer keinen, überdachten Veranda. Ein Zaun sollte dafür sorgen, dass die Kühe nicht zu nahe kamen. Der war aber noch nicht ganz fertig. Zwei Kühe waren da und ließen sich nicht von uns stören. Jeanette sagte: ”Greg wir müssen wohl den Zaun prioritieren!” Ganz in der Nähe sonnte sich ein kleiner Leguan.
Die Hütte mit nur zwei Räumen stand früher woanders, wo sie nicht mehr gebraucht wurde. Jeanette und Greg kauften sie billig und frachteten sie hierher, wo früher gar nichts war. Es war einfach die höchste Stelle ihres Anwesens. Sie wollten so einen Platz, wo sie wirklich allein waren und keine andere Behausung sahen. Und so war es: Von hier hatte man einen kilometerweiten Blick aber man sah kein einziges Haus. Hier gab es keinen Strom und kein Wasser. Was gebraucht wird, muss mitgebracht werden. Jedesmal wenn sie hierher kommen, wird an der Verschönerung der Hütte gearbeitet. Und tatsächlich: während wir, nach dem Picknick, mit Jeanette uns draußen umsahen, strich Greg die Wände eines Raumes an. Auf einem kleinen, überdachten Platz soll noch ein einfacher Gaskocher aufgestellt werden. Alles soll bewusst einfach gehalten werden. Nur Übernachtungen von ein oder zwei Tagen einige Male im Jahr sind geplant.
Draußen stand eine Uralt-Planierraupe, mit der Greg den einzigen Weg nach oben verbessert und den Platz für die Hütte geebnet hat. Sie wird wohl das nächste Jahrtausend erleben. In diesem trockenen Land ist Rost kein wirklicher Zerstörer.
Greg hatte schnell ein Holzfeuer am Brennen. Er machte "Billy-Tea", das ist schwarzer Tee gekocht in einem rußschwarzen Topf über offenem Feuer. Jeanette hatte belegte Brote mit und wir Kuchen. Die Nachbarsfrau Samantha kam mit den zwei Kindern in einem Geländewagen. Jeanette und Greg hatten sie wahrscheinlich gebeten zu kommen. Nach dem Picknick machte ich einen kleinen Rundgang und Fotos. Hinter der Hütte stand ein interessanter Baum, ein Bottle-Tree (Flaschenbaum). Der Stamm ist verdickt und sieht wie eine Flasche aus. Vor der Hütte ging es steil bergab und unten im Tal sah man ein gegrabenes Wasserloch, die Tränke für die Rinder. Die Rinder von Jeanette und Greg gehören zu einer alten Rasse und sind das ganze Jahr über auf sich allein gestellt. Wasser und Weideland ist alles was sie brauchen. Sie werden nicht gemolken und auch nicht als Schlachtvieh gehalten. Ältere Tiere, die mit der wandernden Herde nicht mehr so mithalten können, werden jedoch zum Schlachten verkauft.
Ich ging zurück zu den anderen. Greg war mit dem Anstreichen fertig und der abenteuerliche Teil des Tages sollte beginnen: eine Off-Road-Tour durch zum Teil extremes Gelände. Einige Stellen waren so steil und felsig, dass ich zweifelte ob wir da hochkommen. Ein- zweimal kam das Auto wirklich nicht weiter und Greg musste neu ansetzen. Er schlug auch mehrmals auf Steine auf, war aber nicht beunruhigt, sondern verließ sich auf seine stabile, extra dicke Schutzplatte unter der Karosse. Wir schaukelten, hüpften und kamen in bedrohliche Schieflagen. Greg hatte einen Neigungsanzeiger im Auto, wie ich ihn von meiner Fliegerzeit her kenne. Mit einem Auto hat man aber bei einer zu großen Neigung keine Möglichkeit der Korrektur: man fällt auf die Seite und hat ein Problem. Ich fragte mich, ob Greg einen Plan für so einen Fall parat hatte. Greg ist die Strecke schon einige Male gefahren, aber man sah kaum Fahrspuren. Als wir eine Strecke durch hohes Gras fuhren, hatte Greg etwas Orientierungsprobleme und fuhr auch prompt auf einen versteckten Stein auf. Solche Runden mit dem Geländewagen sind für Jeanette und Greg die einzige Möglichkeit, ihre Herde zu finden und zu kontrollieren. Sie müssen ja wissen ob neue Tiere geboren wurden, einige fehlen oder krank sind. Das ist ein harter Job, und Jeanette und Greg haben das als Hobby!
Es war unmöglich, beim Fahren Fotos zu machen. Ich versuchte jedoch mit meiner einfachen Digitalkamera ein Video zu machen. Darauf sieht und hört man ziemlich deutlich worum es sich handelte!
Nach einer guten halben Stunde verließ Greg das extreme Gelände, fuhr hinunter ins Tal um nach den Pferden zu sehen. Wir hatten nichts dagegen. (Im Nachhinein bin ich aber froh, dass ich dies erleben durfte. Fast besser als Fallschirmspringen, dauert länger.) Er kontrollierte das Wasser, das von einer Windmühle aus der Erde in einen großen Behälter gepumpt wurde. Dieser hatte eine alte, einfache Überlaufanordnung, die dafür sorgte, dass immer etwas Wasser für die Pferde in einem Trog war. Viele Dinge stammten noch aus der Zeit der Erstbesiedler, die alles selbst machen mussten.
Greg zeigte uns auch eine alte australische Erfindung, mit der man Kühe oder andere Tiere schneller das Brandmal aufdrücken konnte. Es sah aus wie ein Käfig, in dem das Tier gerade hineinpasste. Der ganze Käfig mit dem Tier wurde dann mit einer Kurbel gedreht und ein anderer Mann drückte das Brandeisen auf. Käfig wieder umdrehen, vorne Kuh raus, hinten eine neue rein. Ich erinnerte mich, dass ich vor Jahren diese Prozedur in einem Dokumentarfilm im Fernsehen gesehen hatte.
Wir traten die Heimfahrt an. Der Abstand zwischen den Häusern, die wir sahen, war mehrere Kilometer. Greg erzählte: Früher wohnten hier mehr Menschen. Vor allem aus Deutschland kamen viele Einwanderer, um in den neuen Erzgruben zu arbeiten. Man baute auch eine Eisenbahnlinie, um das Erz verfrachten zu können. Erforderliche Tunnel wurden von Hand durch kleinere Berge gegraben. Heute ist das alles vorbei und viele Familien haben die Gegend verlassen.
Greg zeigte uns so einen stillgelegten Tunnel. Wir gingen ein Stück hinein und scheuchten einige Fledermäuse auf. Auf dem Boden sammelte sich Wasser. Es war ein trauriges Monument aus einer kurzen Periode, die gar nicht so lange zurückliegt. Viel Arbeit für nichts könnte man meinen. Aber damals war es eine Möglichkeit für viele Einwanderer, überhaupt das Leben bestreiten zu können.
Greg sah etwas melancholisch aus. Er war schon öfter hier. Vielleicht hatte er eigene Verwandte, die hier arbeiteten. Sein Nachname klingt deutsch. Ich werde ihn fragen, wenn er und Jeanette 2010 ihren Rückbesuch bei uns machen.
Wir fuhren
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© Willi Grigor, 2009 (Rev. 2017)