Mon-Chéri-Pralinen

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Mein Chef feierte Geburtstag: Er war wie jedes Jahr sehr spendabel. Wir speisten üppig und gut, und weil ich Alkohol nicht gewohnt war, da ich nie welchen trank, ließ ich mich überreden, von den Mon-Chéri-Pralinen zu kosten. Ich aß gerade mal drei Stück von dem süßen Naschwerk.

Ich bin im Grunde genommen ein ernster Mensch; das müssen Sie mir unbedingt glauben - obwohl ich ab und an herzlich lachen muss; aber dann habe ich einen triftigen Grund.

In der U-Bahn bin ich am schwermütigsten – das liegt wahrscheinlich an der Tiefe, in der man schwebt. Ich lache dort selten oder nie, lese, denke, betrachte flüchtig den Menschenstrom, der rein- und rausschwimmt.

Wie konnte ich ahnen, dass es Menschen gibt, die von drei Mon-Chéri-Pralinen beschickert werden – und dass ausgerechnet ich zu jenen gehöre, was mein nachfolgendes Verhalten ganz eindeutig beweist, nachdem eine Frau mit Hut zugestiegen war. Es handelte sich bei dem Hut um ein schlichtes Gebilde aus grünem Filz, Edelweiß und Feder – nichts Phänomenales. Aber ich, mit den drei Mon-Chéri-Pralinen im Magen, die mir ganz offensichtlich zu Kopf gestiegen waren, beginne angesichts Edelweiß, Filz und Feder zu prusten, halte mir die Hand vor den Mund, um meine Heiterkeit zu verbergen, die sich aufbläht und schier ins Unermessliche wachsen will. Ich verfluche die Geburtstage meines Chefs. Ich verfluche, dass er überhaupt geboren wurde. Ich verfluche die drei Mon-Chéri-Pralinen; aber es ist zu spät. Ich habe Blut geleckt, Feuer gefangen, mich 'festgebissen' – an einem Filzhut mit Edelweiß und Feder.

Es gluckst und strudelt nur so aus mir hinaus! Ich kann mein Lachen nicht bändigen! Ich kann meinen Mund nicht halten. Ich lache meine Heiterkeit schallend heraus. Das Gelächter lacht mit, schwillt an … die Leute schauen empört, nur ein einziger Passagier blickt fröhlich in die Runde. Ich bin total beschickert – von drei Mon-Chéri-Pralinen. Ich bin aufgekratzter, als erlaubt ist. - Ich muss auf der Hut sein, gleich holen sie den Arzt, denke ich und muss noch heftiger lachen. Ich bin total überwältigt - von einem ganz gewaltigen Lachkoller.
Ich hätte nichts dagegen, wenn es mir im Halse steckenbliebe, dieses unkontrollierte Gelächter, augenblicklich. Aber es will heraus, unbedingt - wegen eines Filzhuts, eines filzigen Hutes, eines hutigen Filzes, eines Edelweißblümchens nebst Feder, – hilfe!, ich kann nicht mehr!
Ich habe nur mehr den Hut vor Augen, ergreife meine Tasche, erhebe mich mit schwankenden Knien vom Sitz und strebe dem Ausgang zu. Unterwegs muss ich an dem Hut vorbei. Das gibt mir den Rest: Mir laufen Geschwader von Tränen über die Wangen – Gelächter nonstop. Ich muss hier raus. Die Türen öffnen sich – ich springe in den Ernst des Lebens hinunter, aber kaum spüre ich das Trottoir unter meinen Füßen, geht es von Neuem los ...

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