Streifzug durch die Jahreszeiten - Winter

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von Willi Grigor

Prosa und Prosagedichte

Etwas zu tragen ist vielleicht der Sinn des Lebens:
Das Holz, das im Winter die Wohnstatt wärmt, die Gedanken, die uns in den Himmel heben, während die Füße auf der Erde stehen, der Respekt für alles um uns herum, die Sorge, die auch ihren Platz beansprucht - und all diese Sehnsucht. Aber auch das, was nicht so schön ist, muss getragen werden: der Zorn, der Hass, der Neid; oder die Zahnschmerzen, die Schande. Alles tragen wir mit uns in des Lebens Brennholzkorb: unsere Freude, unsere Sorge und unsere Liebe.

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Wie viele Abende braucht es
für eine ganze Nacht?

Auch heute schaute die Krähe auf mich
von ihrer höchsten Birken-Position.

Die unsichtbare Musik hinter
den hellen Gittern der Birken.

Falte einen Gedanken in der Mitte.
Und noch einmal; aus der Stille

sickert der Saft, obwohl
es der 7. Februar ist.

Mit der Sonne und gegen sie,
auch der Schatten im Schnee.

Folge mit über den See
in der gegen Abend kühleren Luft.

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Drei Schritte in den Schnee, dann
nur ein bleicher Mondschein.

Jemand hat sein Gedächtnis
verloren, weiß nicht wo.

Hinter dem Erlengestrüpp
wartet ein Schatz - goldene
Abstraktion im Harschschnee.

Und ein einziger Gedanke:
Gleichzeitigkeit ist jetzt.

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Schwerer, aber spärlicher Verkehr durch das Plusgraddunkel da draußen, sporadische Destinationen, die etwas erleichtert würden mit Hilfe von genuin vorgetragener Western-Musik und einem Fünf-Minuten-Kaffee-Stopp im Malung-Wald.
Die Sterne im Fenster können gelöscht werden, wenn die Nacht reif ist, der Schaukelstuhl steht stumm, mit Kufen aus Bänkelliedern, doch eisenbeschlagen; die Katze ist drinnen, der Frieden in Syrien ist noch nicht zu erahnen, aber wie viele weitere Tote sind erforderlich, um ihn zu erreichen?
Habe gelesen und erhielt großen, ja notwendigen Trost von Stafford, der über den weißen Himmel schreibt, über die Zeit und das, was während der Zeit passiert, im Leben:

Viele Ereignisse in der Welt sind bereits eingetroffen.
Man kann sie sich zurückholen und über sie berichten.
Sie sind ein Teil von dem, das uns gehört,
während wir nach vorne stürmen
durch den weißen Himmel.

Dieses Winterwarten, das seit vielen Wochen angedauert hat, lässt viele Erinnerungslücken öffnen, solche, die durch Worte aktiviert werden können, wie Blankeis, Skistockknarren, Bandyschlittschuhe, und wenn der rotzgrüne Himmel im Westen seine Nordlichtillusion ausbreitet. Und durch Funken, wenn die Kufen des Tretschlittens unerwartet über Schotter gleitet!

Malung - eine Gemeinde in der schwedischen Provinz Dalarna
William Stafford - (1914-1993) war einer der bedeutungsvollsten Poeten der USA

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Dann war alles weiß
und es knarrte unter den Schuhsohlen.
Als befände man sich innen in einer großen,
altertümlichen Mühle mit Tonnen von Sauerstoff
anstelle von Mehlduft.

Keine knisternde Laute von etwas, das rotiert,
doch ein Licht, das kommt
von überallher -

Welches Instrument könnte diesen Zustand
vertonen? Nicht die Orgel oder die Tuba,
aber vielleicht eine schwingende Violinsaite,
die sich stärker und stärker wächst.

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Schau auf den Schnee z. B.
Sieh die Flocken, die vor dem Licht
in das Dunkel fallen,
das in sich selbst versinkt.
Lege den Schnee in den Handschuh,
die Hand
findet ihren Weg.

Der Holzschuppen
- der Holzklotz ein Predigtstuhl
für Linkshänder.
Die Tage gehen wie von selbst.
Mittwoch, ein
abgesenkter Semaphor in der Dämmerung.

Der Pfad tastet sich rücklings,
eine Art Zeitgewinnung
zur Wiederverwertung des gegangenen.
Ein Nagel verhindert, dass der Mond herunterfällt!
Wann blieb die Uhr stehen,
wo ist die Zeit geblieben -
Der Schnee fällt endlich aufwärts!

Ich liebe die Sprache,
schweige mit dem Gusseisenkamin um die Wette,
spare Holz.
Ich renne in die Dämmerung mit offenem Mund,
voll mit Eis, renne
durch den Schulkorridor -

Der Frost dauert an.
Die Krähe vereinigt sich friktionsfrei
mit der schrumpfenden Sichttiefe der Landschaft;
die Hunde bellen im Leerlauf,
aber mit einem weicheren Gebell.

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Auch wenn der ganze Schnee in einigen Monaten verschwunden sein wird, ist es sinnvoll, den in der Nacht gefallenen Schnee wegzuschaufeln.
Eigentlich gleicht das Schneeschippen dem Leben: auf längere Sicht spielt es keine Rolle, aber im Augenblick ist es notwendig. Dies und das muss getan werden. Und wir tun es deshalb, weil wir es müssen. Wir wissen, wie eingeschneit wir auch sind: der Frühling wird kommen, mit Tropfen vom Dach und Schmelzwasser.
Wir schippen, und es ist kein dummer Gedanke, dass der Schnee zu notwendigem Grundwasser wird, dass er den Winter dazu bringt, sich von unten her zu erhellen, dass er ein guter Freund von Skistöcken und Pulkaschüsseln ist.

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Der Winter verdreht sich
wie ein Jackett ohne Ärmel,
dort im Schneesturm und jenseits
stampfender Taxischlangen:
eine Prinzessin mit dem Übermut einer Schneeflocke
und dem Staunen der Welt.

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Es gibt so vieles, das man nicht sieht:
das, was man unter der Haut fühlt,
den Gedanken, dass wir alle nach unterschiedlich
langen Augenblicken nicht mehr da sein werden,
die Wunder aus dem Alltagsleben, wie
den Arm um eine Axel legen,
das Gummiband finden,
sehen, wie der Mond über die
Nadelwaldwipfel des Hügels rollt,
die Hieroglyphen auf der Rückseite
des Bonbonpapiers lesen,
die richtige Seite wählen, auf der richtigen
Seite der Demarkationslinie gehen,
im März zum Mond lächeln,
sich seine Fehler vergeben
und einsehen, dass unser Geld
weniger bedeutet als ein Nagelfeile.

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Wenn ich an dich denke, füllt sich mein Sinn
mit dem Duft eines frisch gewaschenen Hemdes,

es trägt noch des Windes Farbe
in seinen kleinsten Falten,

es hat die Unbändigkeit des Wäschetrockners
vergessen, erinnert sich aber an deinen Duft.

Wir gingen im gleichen Herbst, unter dem gleichen
Himmel, aber jeder in seinem Teil der Wirklichkeit.

Aber jedenfalls dort, oder gar nicht -
wie einsam konnten wir nicht zusammensein,

und außerdem:
Ein einziges, eins und noch eins!

When tomorrow comes
und goes, alles, das goes, und comes ...

Irgendwo in deinem Blick
befindet sich dein Geheimnis, dein Wesen, vielleicht -
aber vor allem dein Du.

When tomorrow comes, und neuer Schnee
fiel auf den, der bereits gefallen ist, aber

dort im Wald, in der Öffnung,
wenn die Sonne ihr Licht siebt,

und jede Ameise ihre Aufgabe genau kennt,
wo die Kiefernstämme glühen wie Balladen von Fahrenden,
und alles scheint so, so wie es sein könnte -

**

Dieser Schneefall scheint sinnlos,
gefallener Schnee muss sich einliegen,
sein weißes Laken sich strecken lassen
unter der Wolkendecke,
einladen zur Rehspurbordüre
mit dem blauen Faden der Dämmerung,
einige Worte auf ein Papier locken,
in einem Versuch, den Ton zu finden
- aber nein!

Der Dunst geht eine unheilige Allianz ein,
ungefähr wie ein Rendezvous
zwischen Putin und Marine le Pen,
in grau melierter Zwischenkriegszeit.

Weiß, dass das Wetter nicht ist, wie es sein sollte,
und dass man daran nicht so viel ändern kann
- aus Minus kann man kein Plus machen.

Und dennoch:
was soll man tun,
damit man nicht die Lust verliert?

Wie zaubert man sich
Harschschnee, Nordlicht und eine Hoffnung,
die größer ist als der Pfotenballen einer Katze
vorne links?

***

© Willi Grigor, 2019

Übersetzungen aus dem Buch von 2018 "Jag går där jag gick" (Ich gehe wo ich ging) des schwedischen Dichters Bengt Berg. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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