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mit der guten Nachricht an: Ja, sie können eine Erektion bekommen“, begann er. “Wenn Sie mich aber so fragen, gehe ich davon aus, dass Sie bisher noch keine Erektion hatten“, fuhr er fort. „Was aber nichts heißen muss.“
Ich nickte kurz. Ich hatte tatsächlich seit dem Unfall keine Erektion mehr gehabt.
„Bei einer Querschnittslähmung unterscheidet man zwischen zwei Arten von Erektionen. Es gibt die psychogene Erektion, also eine psychisch ausgelöste Erektion, die durch optische und akustische Stimulation, durch Gerüche, Phantasien oder Erwartungen ausgelöst werden kann. Da bei Ihnen die Läsionshöhe unterhalb von Th 11 liegt, also im unteren Bereich des Brustsegments, ist diese psychogene Erektion möglich. Abgesehen davon gibt es noch die reflektorische Erektion, die durch direkte Stimulation entstehen kann, also durch Anfassen und Streicheln. Allerdings ist es bei der reflektorischen Erektion schwieriger, die Erektion aufrecht zu erhalten. In beiden Fällen aber, das ist die eher schlechte Nachricht, müssen Sie mit Ejakulationsstörungen rechnen. Es kann auch sein, dass Sie keinen Orgasmus mehr erleben, und wenn doch, dann kann dieser von spastischen Reaktionen begleitet sein. Es gibt aber auch Fälle, in denen Männer einen völlig normalen Orgasmus erlebt haben.“
Ich hatte schon ein wenig im Internet nach Informationen gegoogelt und bekam nun bestätigt, was ich mir aus den verschiedenen Webseiten an Infos zusammen geklaubt hatte. Trotzdem war ich ernüchtert angesichts der Ausführungen von Prof. Dr. Brecht. Er sah mir die Enttäuschung an.
„Wissen Sie“, meinte er vorsichtig. „Natürlich ist eine Querschnittslähmung eine enorme sexuelle Einschränkung. Aber, und das meine ich vollkommen ernst, es kann auch eine Chance sein. Sexuelle Erregung manifestiert sich nicht nur im Genitalbereich. Gerade wir Männer vergessen das gerne. Ihre Einschränkung kann auch eine Chance sein, andere Arten der Sexualität zu entdecken, sinnlichere, emotionalere Formen der Liebe. So wie Blinde ihr Gehör trainieren, können Sie ihren Geschmacks- oder Geruchssinn trainieren. Auch ihr Hals, ihr Nacken und ihre Ohren sind erogene Zonen. Sie haben Sie bisher nur nicht aktiviert.“
Hals, Nacken, Ohren. Für mich, der ich früher so stolz auf meine Erektionen gewesen war, klang das wie ein schwacher Trost. Ich dankte Prof. Dr. Brecht für seine Erklärungen und gab mich hoffnungsvoll. Aber als ich sein Sprechzimmer verlassen hatte und wieder auf dem Flur war, überkam mich das Gefühl, gerade entmannt worden zu sein.
*
„Wir müssen über Sex reden“, sagte Tom betont beiläufig nach dem Abendessen.
Ich wandte mich ihm zu. Ich lächelte. Ich wollte ihn ermuntern, nicht blockieren. Ich wusste, wie schwierig das für ihn war. Wie viele Männer hatte er lange geglaubt, dass Sex nur ein Gefühl sei, über das man nicht sprechen muss, eines, dass die Frau automatisch empfindet, wenn der Mann dies tut. Er hatte den Kopf voller Sexfilme und Pornos, in denen Männer und Frauen sich blind verstehen, gleichzeitig kommen und in denen die Frau sich bereitwillig unterordnet und nur die Bedürfnisse des Mannes zu befriedigen versucht.
„Was hat Prof. Dr. Brecht gesagt?“
Tom erklärte mir in Kürze die Möglichkeiten, die es für uns gab, oder, wie Tom es formulierte, die „uns noch blieben“.
„Wann wollen wir es denn mal ausprobieren?“, fragte ich betont enthusiastisch, in der vagen Hoffnung, er würde ‚Sofort’ sagen.
„Samstag Abend“, erwiderte er. „Ich könnte Massageöl kaufen, wir könnten das Wohnzimmer abdunkeln und Musik hören. Wir könnten auch vorher was zu essen bestellen.“
In meinen Ohren klang dies schon zu geplant. Ich sah ihm an, dass er sich unter Druck setzte, dass er den Abend in Gedanken plante wie ein General eine Schlacht, dass er nichts dem Zufall überlassen wollte. Dabei hatte er ja Recht. Ohne vorher darüber zu reden, über die technische Seite des Ganzen, würde es nicht funktionieren. Aber wir durften es auch nicht zerreden.
„Vielleicht Jazzmusik“, fuhr er fort. „Oder gerne auch klassische Musik. Auf jeden Fall etwas Langsames, etwas Ruhiges. Ich denke, wir müssen uns auch etwas mehr Zeit nehmen als früher. Aber wir könnten ...“
Während er fortfuhr mit sich selbst zu reden, sah ich ihn an. Wie er konzentriert vor sich her redete, wie er nervöser und nervöser wurde und dabei alles richtig machen wollte. Ich stand auf und ging behutsam auf ihn zu. Ich stellte mich hinter ihn, massierte seine Schultern ein bisschen und bückte mich dann, um meine Arme um ihn zu schlingen.
„Wir werden das schon hinkriegen“, beruhigte ich ihn. „Wir sind doch ein eingespieltes Team. Wir müssen das nicht alles im Detail durchplanen. Lassen wir den Abend doch einfach auf uns zukommen. Und wenn du keine Erektion bekommst, ist es auch nicht schlimm.“
Tom hob seine Arme und streichelte meinen Kopf. Er verstummte und guckte dann zu mir hoch, um mich zu küssen. Seine Lippen auf meinen, das war noch immer ein Erlebnis, das war noch immer eine Brücke für unsere beiden erschöpften Geister. Ein Kuss konnte noch Gewissheit schaffen, und genau die wollte ich ihm geben.
Aber auch ich war nervös.
*
Denk nicht an den rosa Elefanten. Heute Abend muss er stehen, und zwar wie eine Eins. Denk nicht an den rosa Elefanten. Gottseidank bin ich vorher noch beim Basketball, da kann ich mich auspowern, auf andere Gedanken kommen. Und Sport ist sowieso gut, das fördert die körperliche und mentale Fitness. Viel trinken, ich darf das Trinken nicht vergessen. Früher hatte ich ja auch immer einen Ständer, wenn die Blase voll war. Warum sollte das jetzt anders sein? Naja, eigentlich ist jetzt alles anders, warum sollte das noch so sein wie früher? Denk nicht an den rosa Elefanten. Denk an Sarah, denk an ihre prallen Brüste, denk an ihre Haut, diese butterweiche Haut, denk an ihre Körperwärme, an diesen lebenden Glühofen, der dich so heiß machen kann. Der Geruch ihrer blonden Haare, die saftigen Lippen. Denk daran, wie sie dich das letzte Mal mit Worten heiß gemacht hat. Denk nicht an den rosa Elefanten, denk nicht an deinen schlaffen, erkalteten Penis. Denk an sie. Denk an Sarah. Sarah. Sarah. Oh, mein Gott, Sarah, du machst mich so heiß, du bist so gut zu mir, du gibst mir Kraft, diese unglaubliche Kraft, du machst mich stark. Und geil, du machst mich immer noch so geil. Denk nicht, denk ja nicht an den rosa Elefanten, okay? Er wird auf