Methodenvielfalt

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von René Oberholzer

Vor langer Zeit lag ich einmal in einem Waldstück auf der Lauer, weil ich einen ostdeutschen Agenten observieren musste, der sich auf einem Landsitz mit einer wichtigen Persönlichkeit treffen sollte. Dabei war ich so unausgeschlafen, um nicht zu sagen saumüde, dass ich im Waldstück einzuschlafen drohte.

Für einen Agenten gibt es da mehrere Methoden, um wach zu bleiben. Zuerst stand ich auf und verdrehte mir die Beine. Dann verzehrte ich ein Sandwich, das schon seit Tagen in einer Papiertüte in meiner Tasche sein Dasein fristete. Später zog ich die Schuhe und die Socken aus und stand in den kalten Bach, der hinter mir dahinfloss. Dann dachte ich an die schöne, russische Doppelagentin Nadeschka, bis mich ein immer wiederkehrender Sekundenschlaf übermannte und ich mit Gedanken an die schöne Brünette über meinem Nachtsichtgerät einschlief.

Als ich erwachte, sass ich gefesselt auf einem Bett und war noch immer müde. Erst als ein Peiniger der ostdeutschen Seite vor mir stand und an seinem Messer herumhantierte, ahnte ich, dass ich zum Wachbleiben doch die Schmerzmethode hätte wählen sollen.

© René Oberholzer

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