Der von mir bewunderte Autofahrer-Freund

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von Alf Glocker

Nachdem ich selbst unglaublich eingebildet und sehr von mir eingenommen bin, zelebriere ich manchmal geradezu öffentliche Verbeugungen. Dann gebe ich zu, wen ich bewundere – das sind nicht wenige! Schier grenzenlos bewundere ich meinen Freund Josef! Er ist ein sagenhafter Autofahrer ... er muss fast schon die Strecke von der Erde zur Sonne einmal zurückgelegt haben, so viel ist er unterwegs.

Und mit ihm zu fahren ist ein reiner Genuss, denn Josef fährt leidenschaftlich gerne Auto. Er kann gar nicht genug davon kriegen. Wer jemals mit ihm unterwegs war, der kann ein Lied davon singen: das Hohe Lied des Autofahrens!

Wenn Josef Auto fährt, dann fährt er Auto, sonst nichts! Er achtet dann auf keine Landschaft, kein Wetter, keine aufsehenerregenden Gebäude oder schöne alte Bäume am Straßenrand, denn er ist mit dem Auto verschmolzen und er genießt jede Bewegung, jeden Ruck des Fahrzeuges, wie andere beispielsweise eine gute Speise oder einen tollen Sex genießen. Josef erlebt alles hinter dem Steuer eines Wagens.

Dabei reichte es ihm nicht, eine gerade Strecke auf der Autobahn zu befahren – sie muss unbedingt kurvig sein. Sollte es gerade mal keine Kurven geben, dann fährt er eben welche. Wenn man ihm beim Geradeausfahren zuschaut, dann hat man den Eindruck, er könne sich auf der Strecke nicht so richtig entscheiden, ob er nun in der Spur bleiben möchte oder nicht, denn er fährt praktisch Zickzack.

Das sieht für Außenstehende zwar nicht unbedingt danach aus, aber wer bei ihm in Wagen sitzt, der spürt die Rucke seiner scheinbaren, aber in Wirklichkeit absichtlichen Unentschlossenheit. Würde er einfach nur in einer Linie fahren, dann könnte er ja nichts dabei verspüren als ein Dahingleiten. Doch was wäre das schon?! Nein, er will quasi fühlen, wie sehr er mit dem Motor, der Lenkung und der Karosserie verschmolzen ist, und so vollführt er, Augenblick für Augenblick, einen aufreibenden Tanz.

Das empfindet jedoch nur der Mitfahrer so, für Josef selbst ist es das pure Erleben! Und dabei fährt er stets volle Kanne ... wer kann, der kann ... und keiner kann sagen, daß Josef kein ausgezeichneter Autofahrer ist. Er hatte bislang – Gott weiß warum – noch keine Karambolage veranstaltet. Und daß, obwohl er grundsätzlich mit hoher Geschwindigkeit dicht auffährt, bevor er dann ruckartig ausschert, um zu überholen.

Außerdem ist ihm keine Strecke lang genug. Aus 100 km macht er locker 110 km, denn, wenn die Fahrbahn mehrere Spuren hat, dann wechselt er nach jedem Überholvorgang stets von der äußersten linken Spur auf die äußerste rechte und wieder zurück, wenn er neuerlich zu einem Überholvorgang ansetzt – und er setzt praktisch andauernd zum Überholvorgang an!

Josef fährt, um es mal ganz genau zu beschreiben, Geraden wie Kurven und Kurven wie Ecken, dazu bremst er eben so oft wie er Gas gibt, denn vor einer Ampel oder einer stehenden Schlange gibt er erst einmal Gas, bevor er dann bremst. Das erhöht die sinnlichen Erlebnisse ungemein!

Daß ich selbst ein absoluter Banause bin und wieder einmal nicht verstehen kann, was erwachsene Menschen tun und was sie alles lustig oder erfüllend finden, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen. So muss ich auch hier gestehen, daß mir nach solchen Autofahrten jedes Mal schlecht wird und ich mich bereits nach einer Stunde darum bemühe, mich nicht übergeben zu müssen. Selbstverständlich möchte ich keinen schlechten Eindruck machen oder bar unhöflich sein, weshalb ich aus taktischen Gründen versuche einzuschlafen.

Sollte ich, bei einer etwaigen Ankunft irgendwo, noch am Leben sein, nehme ich erst einmal etwas Beruhigendes zu mir, 5 Starkbiere z.B., oder einfach eine Valium, damit ich keinen Nervenzusammenbruch erleide. Meinen Freund Josef aber bewundere ich grenzenlos. Wenn ich es wagen würde mich so zu verhalten wie er, dann wäre ich, da bin ich mir sicher, schon eine ganze Weile mausetot. Für mich ist und bleibt er ein Held!

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