Komische Wirklichkeiten (Die Filtertechnik)

Bild zeigt Alf Glocker
von Alf Glocker

Am Menschen ist nahezu ALLES kurios! Er geht aufrecht (außer er buckelt), er denkt (zumindest glaubt er das) und er kann sprechen (das vor allem). Dabei kommt so mancher Blödsinn zum Vorschein – in allen 3 Disziplinen! Daß er sehen, hören, fühlen und riechen/schmecken kann, kommt natürlich noch dazu. Außerdem besitzt er aber noch eine ganz wichtige Fähigkeit, die wohl selten ein Tier (wenn überhaupt eines) vorweisen kann: er filtert!

Wenn eine Information auf ihn zukommt, wie z.B. ein Vulkanausbruch, dann kann er und NUR er sagen: „Das ist gar kein Vulkanausbruch!“ Meistens ist es ja nicht ganz so schlimm, oder sieht zumindest fürs Erste nicht so schlimm aus – und vor allem das bestärkt den Menschen, dieses ganz besonders einmalige Talent im ganzen Tierreich anzuwenden. Immer wenn ihm etwas absolut unangenehm erscheint, wie z.B. die Wahrheit, dann filtert er sie rücksichtslos, oder sagen wir besser „rücksichtsvoll“ gegen sich selbst, heraus!

Das ist wie eine Mattscheibe oder Milchglas. Durch sie betrachtet sieht ein feuerspeiender Drache wie ein Sonnenaufgang aus und ein Grizzly wie ein Teddybär, aber auch ein Unheil wie eine Geschichte, die man ohne Weiteres durchstehen kann. Der Mensch glaubt dann, es käme einfach nur auf den Filter an! Und weil er das glaubt, geht er auch fröhlich in einen Krieg, zu seiner Hinrichtung, eine fatale Ehe ein, oder er ordnet sich bestimmten Verhältnissen unter, die ihm garantiert kein Glück bringen – ach, wäre er nur in der Lage, sie ohne Mattscheibe betrachten zu können.

Nachdem er sich aber außerstande sieht, etwas ohne die Hilfestellung einer ratgebenden Institution einschätzen zu wollen, benutzt der „kluge“ Zeitgenosse lieber die Filterfunktion seiner bewusst angewandten Naivität, bevor ihn die Urängste seiner Seele wirksam belehren können. Das macht Dauerspaß, ist scheinhalber völlig ungefährlich und führt niemanden in die Versuchung, sich einmal selbst Qualen zu bereiten: die Qualen des Denkens!

Denn ohne diese Qualen lässt es sich leichter ein bisschen erfinderisch zu sein! Man kann einfach, neu interpretiert, von sich geben, was man schon gehört hat und ist somit „kongenial“. Das tut gut, verleiht dem eigenen Standpunkt eine gewisse Unangreifbarkeit und trägt direkt oder indirekt zur Befriedigung bei ... es könnte ja sein, daß man damit genug Eindruck schindet, um ein paar Schutzsuchende anzulocken, an denen man dann seine Macht ausprobieren kann.

Das ermöglicht einem schließlich die Perfektion der Filtertechnik ... man kann nicht nur Sinn aus jeder Handlung herausfiltern, sondern auch bei den Schutzsuchenden die Spreu vom Weizen trennen, indem man jene in die Wüste schickt, die einen nicht so gut befriedigen können, wie beispielsweise noch schleimigere Kriechtiere, als man bisher schon zur Verfügung hatte. Das ist ein bewährtes Prinzip bei der Regierungsbildung, gilt aber auch in Betrieben als probat. Ein Hoch auf die Filtertechnik!

Prosa in Kategorie: