Signifikant für mein Leben ist eigentlich ein bestimmtes Schachspiel … Es handelt sich dabei um eins meiner besten und mein Partner war der liebe Gott persönlich! Da ich sehr eingebildet bin und auch dazu neige, höhere Amtspersonen bestechen zu wollen, damit sie mir gegenüber etwas milder verfahren als gewöhnlich, schlug ich vor, ihm einen Zug vor- zuschenken, bat mir jedoch dafür die weißen Figuren aus – als Geste, mit der ich meine weiße Weste besonders zu betonen gedachte. Mein Kalkül erwies sich auch sofort als ungeschickt eingefädelt, denn der liebe Gott lehnte ein wenig empört, ab, fühlte sich jedoch genötigt, mir trotzdem gönnerisch die weißen Figuren zu überlassen.
Das machte mich froh! Mein Leben schien mir fortan ein Kinder(schach)spiel zu sein, und ich freute mich auf die kommenden Ereignisse. Hurtig eröffnete ich mit e4! Natürlich wusste ich, daß mir der liebe Gott himmelweit überlegen war. Mir konnte also nur eine besonders teuflische Strategie helfen … wenn mir überhaupt etwas helfen konnte. Aber zunächst schien alles nach Plan zu verlaufen. So sieht es ja, am Anfang eines Lebens, immer aus. Da ist noch alles möglich und die selbst gemachten Fehler passen sich noch nicht so gut in eine Ereignislandschaft aus Komplotten ein.
Gott ergriff die Initiative – denn er war dran – und zog e6! Nichts deutete zu diesem Zeitpunkt darauf hin, daß ich mich verkalkuliert haben könnte, denn e6 ist durchaus gebräuchlich und so hatte ich keine Angst: d4! Jetzt aufgeben, nur weil der liebe Gott der liebe Gott war, kam mir nicht in den Sinn. Darum erschreckte mich auch der folgende Zug nicht – Schwarz (DLG) zieht d5. Weiß (ich) antworte mit e5. Das hielt ich für ungeheuer schlau, denn manche Spieler halten dien Zug bereits für unlogisch, und, wer weiß, vielleicht konnte ich dlG ja mit meiner ungewöhnlichen „Unlogik“ verblüffen. Würde er ein Auge zudrücken? Er drückte keines zu, sondern stellte mich auf die Probe, indem er c5 spielte und damit wohl angriff!
Ich aber wollte meine Position behaupten und setzte meinen Springer g1 auf f3. DLG verstärkte seinen Angriff und zog seinerseits Springer b8 – c6! Kein Grund, an meinem Vorgehen zu zweifeln, oder gar zu verzweifeln – noch war ich nicht in Gefahr. Und deshalb verfuhr ich weiterhin konsequent: Lc1 – f4. Jetzt schien es wohl meinem Partner angemessen zu sein, seine Dominanz unter Beweis zu stellen: D – b6! Bereits jetzt, im Anfangsstadium, wurden also meine Reihen bedroht. Nun stand ich unter Druck und musste handeln … aber ich musste einen unerwarteten Zug bringen, denn sonst wäre ich gleich unter die Räder gekommen … a4!
DLG schmunzelte. Ich wusste ja, daß er mich liebte und mir meine kleinen Fehlerchen verzieh. „Dummie“ hörte ich ihn denken und schmunzelte nun meinerseits – allerdings etwas ängstlich. Er tat, was ich wollte (nein, ich bin kein Masochist) und schlug den Bauern D x b2! Ich musste ihn ganz dringend beruhigen, ihm aber auch andeuten, daß ich zwar blöd, aber nicht völlig verblödet war, und zog: Sb1 – d2. DLG ordnete seine Phalanx: Sc6 – b4. Er dachte dabei wohl an ein schnelles Ende, denn sonst hätte er vielleicht den Bauern auf d4 genommen. Mir gefiel jedenfalls, was ich sah! Und ergriff meinen Läufer Lf1, stellte ihn auf b5 und bot + (Schach)! DLG zuckte mit den Mundwinkeln …
Nach langem, freundlichem Nachdenken ging er mit dem König auf d8. Was ihn dabei geritten hatte, konnte ich jedoch nicht nachvollziehen. Panikartig rochierte ich nun 0 – 0. Und die Welt schien wieder in Ordnung zu sein … Mein Gegenüber entschied sich augenblicklich zum Bauernagriff! C4! Ich bewahrte die Contenance …: Sf3 – g5! ER: Sg8 – h6. Mein Angrifflein war also vorläufig gestoppt. Macht auch nix, dachte ich und zog Dh5! Nun sah es so aus, als hätte ich die Initiative ergriffen, aber dlG antwortete folgerichtig mit Lf8 – e7. Nun ließ ich mir scheinbar Zeit …: a5. DLG konnte sich nun weiter bedienen und das tat er auch: Sb4 x c2!
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich 2 Bauern geopfert – wie viele Opfer würde ich DLG noch bringen müssen?! Um das Schlimmste zu verhindern, zog ich T a1 – b1. Und dlG bediente sich konsequent an meiner nun schon beschädigten Phalanx! D x d4! Was sollte ich tun – g3. Meine Bedrängnis wuchs … DLG: Sc2 – a3! Bald würde ich nichts mehr zu meiner Verteidigung besitzen. Wieder beschlichen mich ernste Zweifel – konnte ich gegen seinen solchen Gegner gewinnen? Niemals, aber ich ließ mich nicht entmutigen! Tb1 – d1. Jetzt schien alles für mich verloren. Der schwarze Springer auf a3 schlägt den weißen Läufer auf b5!! Und was mache ich??!!
Ich antworte kleinlaut mit Sd2 – e4! Und dlG platzierte seine Dame auf b2. Was sollte ich machen? Se4 – d6. Die Antwort folgte natürlich auf dem Fuß: Sb5 x Sd6! Zum Glück hatte ich noch einen Bauern im Mittelfeld: e5 x Sd6. DLG staunte und ich hoffte, er würde sich für mich freuen … Er zog: Le7 – f7. Daraufhin wurde ich richtig frech: Sg5 x f7 +! DLG schlug noch einmal zurück: Sh6 x f7! Ich jedoch schlage ebenfalls zurück: D x f7! Und ich erschrecke … denn von der anderen Seite kommt nur ein D – b5 und ich MUSS quasi mit Lf4 – 5 antworten …
Dann kommt der für mich nicht mehr nachvollziehbare Gegenzug dlGes: D – e8???
Hier nochmal das Spiel bis hierhin:
EGO...... DLG
e4...... e6
d4...... d5
e5...... c5
Sg1 – f3...... Sb8 – c6
Lc1 – f4....... D – b6
a4...... D x b2
Sb1 – d2...... Sc6 – b4
Lf1 – b5 +...... K d8
0 – 0...... c4
Sf3 – g5...... Sg8 – h6
Dh5...... Lf8 – e7
a5...... Sb4 x c2
Ta1 – b1...... D x d4
g3...... Sc2 – a3
Tb1 – d1...... Sa3 x Lb5
Sd2 – e4...... D – b2
Se4 – d6...... Sb5 x d6
e5 x Sd6...... Le7 – f6
Sg5 x f7 +...... Sh6 x f7
D x f7...... D – b5
Lf4 – e5...... D – e8 ???
Dem weniger geübten Schachspieler mag, anstatt D – e8, der Zug Lc8 – d7 geeigneter erscheinen, aber der hätte, mit der Kombination Lf5 x Lf6, ebenfalls zum Schachmatt geführt … DLG hatte zu sehr aus der Routine heraus gespielt und war „leichtsinnig“ gewesen – nun wurde er wütend und wollte seinen Unmut anscheinend durch einen absurden Schritt zeigen! Ich dagegen hatte mal wieder überhaupt keinen Respekt! –:
Df7 ++
Das schlug dem Fass den Boden aus!!
Plötzlich sah ich mich von einer ganzen Menge „Engel“ umringt, die angeblich alles mit angesehen hatten – und sie sagten mir, ich sei disqualifiziert! Ich betonte ausdrücklich, daß es sich hier um keinen Wettkampf gehandelt habe, sondern um ein Freundschaftsspiel, aber man hielt mir entgegen, daß ihr Vorgesetzter grundsätzlich keine „Freundschaftsspiele“ mache und er es deshalb als ein Vergehen ansehe, ihn „ausspielen“ zu wollen. DLG lächelte nur dazu und ich wusste mal wieder nicht, was ich von dieser Episode halten sollte … also nahm ich mein Brett vor dem Kopf und ging meiner Wege … ein wenig trauriger als vorher allerdings!