Um etwaigen Bedenken, Mutmaßungen und/oder Spekulationen vorzubeugen, möchte ich heute aus der Zeitschrift „Der ehrliche Mensch“ zitieren. Dort steht wortwörtlich „man denkt nicht positiv, wenn man Positives anstrebt, sondern wenn man Negatives uminterpretiert“. Ob mir das jetzt positiv oder negativ zu denken gibt, kann ich ad hoc gar nicht sagen, sagen kann ich nur so viel: Wenn ich jetzt glaube, daß ich etwas Gutes anstrebe, nur weil ich positiv über mein Vorhaben denke, es aber im Grunde auch so nicht gut sein kann, dann muss ich mich wohl geirrt haben!“
Das kann es doch nicht sein! So jedenfalls rebelliert meine Seele, wenn sie sich mit einem Ansinnen konfrontiert sieht, wenig komfortable Umstände als vorzüglich hinnehmen zu sollen. Was würde denn der Erfinder des Rades gedacht haben müssen, hätte er nur positiv gedacht? Genau, er hätte sich sagen müssen: „ich schleppe gerne schwere Lasten, weil ich das einfach schön finde!“ Das nennt man doch „Positives Denken“ - oder?
Nun hat aber mal der Erfinder des Rades überhaupt nicht positiv gedacht, sondern die Arbeitsumstände, denen er ausgesetzt war, zunächst, nein, grundsätzlich als untragbar empfunden. Infolgedessen hat er sich hingesetzt und, pessimistisch wie er war, nachgegrübelt. „Wie könnte man denn bloß diese Scheißarbeit ein bisschen angenehmer gestalten – zum Beispiel dadurch, daß das Zeug, welches ich zu transportieren habe, von selber davonrollt?“
Negativ gedacht, negativ gehandelt ... und schon war das Rad erfunden ... was allerdings weiteren Anlass zum „positiven“ Denken bot. Denn vermutlich hat sich der Auftraggeber des Raderfinders ebenfalls „positive“ Gedanken gemacht und den guten Mann nun aufgefordert, für den gleichen Lohn mehr zu transportieren als vor seiner Erfindung. Dieser Umstand wiederum forderte erneut und diesmal wahrscheinlich endgültig die Fähigkeit positiv zu denken beim Erfinder heraus, denn bis zur Motorisierung war es ja noch weit.
Was blieb ihm übrig, als den verstärkten Arbeitseinsatz nunmehr erneut „positiv zu überdenken“ – was heißen will: Er musste sich mit seiner Situation zu guter Letzt doch noch abfinden. Ohne „Positives Denken“ hätte er das aber vermutlich nicht geschafft. Das soll nun aber weder heißen, daß wir uns von Anfang an einfach zurücknehmen sollen, noch, daß es nicht manchmal wirklich unausweichlich ist, einen Umstand als gegeben anzunehmen und ihn, allein seiner Existenz wegen, gut zu heißen.
Das soll nur heißen, daß man den Begriff „Positives Denken“ auch agitativ einsetzen kann, und zwar immer dann, wenn sich jemand zu beschweren droht ... über unmenschliche Arbeitsbedingungen, eine unfähige Regierung, einen unmöglichen Liebespartner, über furchtbare Eltern oder Kinder. Und, daß man sehr vorsichtig mit dem umgehen sollte, was einem öffentlich empfohlen wird. Es könnten gut von einem Schlaumeier verpackte „Lebenshilfen“ sein, die im Grunde gar keine sind!
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Mit Netz und doppeltem Boden
Gib mir den Parolentrick
und ich ändere mich konform,
ich geh für dich durch dünn und dick
und ich bleibe in der Norm,
die man auswählt, daß ich diene –
dies ist die probate Schiene!
Ich kann ja nicht alles wissen,
deshalb gibt es große Lehrer,
die sind oft ganz schön gerissen
und ich bin gerne ihr Verehrer,
denn sich zu retten ist sehr schwer –
draußen auf dem weiter Meer ...
auf dem Meer der Schwierigkeiten,
die uns täglich hier begegnen.
Immer brav voranzuschreiten
und das Handeln abzusegnen,
dem man ausgesetzt ist, würgt
den armen Geist, der sich verbürgt ...
Mensch in einer Welt zu sein,
die sich liebend gern zerstört!
Ja, da ist man schnell allein,
wenn man auf die Wahrheit schwört –
auf die Wahrheit klar zu denken.
Der Aufruf ist, sich das zu schenken!