Schicksale in 500 Wörtern!
Ich möchte mich gerne selber dazu zwingen, zumindest täglich 500 Wörter zu schreiben und ihnen einen Zusammenhang geben.
Fangen wir an
Tag 1 - Kapitel 1 - Freiheit
Das Licht in Prismen brach über schneebedeckten Horizont, während Funken aus kristallisiertem Wasser durch angelaufene Scheiben des Schlafzimmerfensters loderten. Draußen erwachte der neue Tag im winterlichen Gewand, doch hinter kaltem Mauerwerk lag Sophie im Schlaf geborgen. Unter einer Schicht aus warmen Daunenfedern begraben. Plötzlich, noch im Traum gefangen, entwich des Weckers schrilles Klirren sie gar abrupt. Verklebte Augenlider erforderten mehr als nur Bärenkräfte zu entfachen, die Aufmerksamkeit nun der Realität und nicht dem Schlaf zu widmen. Doch erschöpfte Glieder, gerädert von Wochen ohne Ruhe und ständig kreisende Gedanken, waren wie Blei, das durch Sophies Adern zu fließen schien. Das Wochenende lag bereits hinter ihr. Still war es zwar, doch ihre Gedanken ließen Sophie nicht in Ruhe. Seit Jahren flüsternde Begleiter, die auf Schritt und Tritt mit ihrer Depression Hand in Hand marschierten. Nur der Alltag, für den sie nichts weiter als Ekel und Abneigung empfand, ließ ihre Einsamkeit für einige Stunden zur wohlwollenden Unannehmlichkeit mutieren. Im dentalen Alltagstrott als Zahnarzthelferin gefangen, war sie die Jüngste unter dreien. Dem strengen Auge ihres Arbeitgebers Dr. Kollwitz ausgesetzt, entwickelte sich so mancher Arbeitstag zum persönlichen Leidensweg Sophies. Nicht den Aufgaben wegen, sondern viel mehr der Tatsache geschuldet, dass die Erkenntnis über ihr Leben, selbst die tristeste Arbeit als Highlight wirken ließ. Die Gründe ihrer dysthymischen Verstimmung, verwurzelt in einer verdrängten Vergangenheit, ließen Sophie die bittersten Früchte kosten, in die sie jeden Tag zu beißen hatte. Es grämte sie zu wacher Stunde, während sie im Traum seelisch daran zu zerbrechen drohte. Denn ihr Schicksal begann bereits kurz nachdem sie das Licht der Welt im Schein von durch Schmutz gedimmten Straßenlaternen erblickte. Die Babyklappe als Tor zur Welt, eröffnete ihr die Mutter, die sie nie zu Gesicht bekam und an deren Liebe sie sich nie hat erwärmen dürfen. Stattdessen erhielt sie Zuflucht in der Adoption liebevoller Menschen, denen sie eigentlich mehr zu verdanken hätte, als sie ihnen Schuld und Abneigung zukommen ließ. Seitdem Tag an, als sie die Wahrheit über ihre Vergangenheit erfuhr. Nicht, weil ihre Ersatzeltern es Sophie erzählt hatten, sondern weil sie fünfzehn Jahre alt werden musste, bis sie der Zufall zu den entsprechenden Unterlagen in verstaubten Regalen, zwischen zerrissenen Blättern auf einen modrigen Dachboden führte, der trotz des Verbotes die Neugier eines jungen Mädchens nur mehr anzustacheln verhalf. Jedes Bereuen schien vergebens, jede Entschuldigung zu spät. Sie wollte nur noch weg. Weg von dem nun zu verwässerten Blutes, das nicht mehr ausreichte, ihr Herz zu erfüllen. Die Verwandtschaft wurde zur Bekanntschaft, welche sich in Sophies Augen des Betruges strafbar machte. Doch der Verrat saß zu tief, um noch die Kraft aufzubringen, weitere Gerechtigkeit einfordern zu können. So verließ sie ihre Heimat und die Menschen, die sie einst liebte. Zumindest dachte sie, dass es Liebe gewesen wäre. Doch nur noch der Hass wurde ihr Antrieb, ihre Zukunft in einer neuen Stadt und einem neuen Leben wiederzufinden. Und auch wenn das Leben von da an wahrhaft härter wurde, so wurde es zumindest für Sophie wahrhaftiger. Sie fühlte sich von einer Welt im Stich gelassen, die sie nicht mehr verstehen konnte, nicht mehr verstehen wollte. Von da an wurden die Straße ihr Zuhause und Fremde ihre besten Freunde. Doch musste sie erst noch lernen, welche Regeln sie von da an zu befolgen hatten, um das zu bekommen, was sie eigentlich nur suchte: Freiheit.