Der Hunger ist keine Tante - Teil 2

Bild von Lena Kelm
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Jahre später überkam mich, Kind der kasachischen Steppe, in Nähe der Berge ein beklemmendes Gefühl: die Berge drohten mich einzuengen, zu zerdrücken.
Mein Bruder Willi, Berufskraftfahrer, verbindet seine dienstliche Tour mit unserem Ausflug. Er fährt uns zu der neunzig Kilometer entfernten Oase an einem malerischen See, umgeben von Nadelbäumen, bewaldeten Bergen mitten in der Steppe. Nach ungefähr zwei Stunden des Ausharrens auf den harten Brettern hält das alte Gefährt mitten in der kahlen Steppe an. Und als sich die hohe Staubfahne gelegt hat, glauben wir eine Fata Morgana zu erleben. Vor uns stehen zwei Jurten aus Filz.
„Hier legen wir eine Mittagspause ein und vertreten uns die Beine. Wir sind bei meinem langjährigen Freund, dem Schafshirten, angelangt.“, sagt mein Bruder. Da kommt uns schon ein kleiner Mann mit schwarzem Schnauzer und O-Beinen entgegen.
Willi grüßt: „Na, Aksakal, wie geht’s?“ – „Rachmet!“, danke, antwortet er. „Und dir, Bruder?“ – „Gut. Ich habe meine kleine Schwester und meinen Schwager, der aus Sibirien stammt, mitgebracht.“ Der dunkelhaarige Mann mit dem gegerbten Gesicht und schmalen Augen verneigt sich leicht vor meiner Schwägerin: „Lisa, Hanum!“ Dann vor mir und meinem Mann: „Hosch kelinisder! Ihr seid meine Ehrengäste!“ Er heißt uns willkommen. Blonde Menschen wie mein Mann und Lisa gelten hier als exotisch. Mit einer einladenden Geste lädt uns Wachid in seine Jurte ein. Vor dem Eingang begrüßt uns seine Frau. Sie trägt wie er eine grüne Plüschweste und einen langen geblümten Rock trotz der Hitze.
Was gegen Kälte hilft, schützt vor Hitze, fällt mir ein kasachischer Spruch ein. Deshalb trinken sie im Sommer heißen Tee aus dem Samowar und leben wie im Winter in Jurten. Innen sind wir geschützt vor der Sonne, wenn es auch nicht kühl ist, so ist es doch eine Abkühlung nach der Fahrt. Wachid sagt ein paar Sätze in seiner Muttersprache zu seiner Frau und sie verlässt die geräumige Jurte.

- Fortsetzung folgt -

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Kommentare

21. Mai 2021

In dem Gepäck der Leser bleibt -
Er wartet, was man weiter schreibt!

LG Axel

22. Mai 2021

Vielen Dank und liebe Grüße,
Lena