Eifersucht - Page 2

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griff zum Telefonhörer und rief Erna an, die Sekretärin, welche schon seit einigen Jahren bei ihrem Mann arbeitete, und die sie recht gut kannte. Erna war nicht gerade eine auffallende Schönheit, ihr Gesicht war eher durchschnittlich, aber mit den Augen konnte sie auf reizvolle Art spielen und auch sonst war sie nicht gerade übel gebaut. Öfter schon hatten sie sich eingeladen. Erna und ihr Mann bewohnten eine Neubauwohnung in der Vorstadt und auf ihrer Gartenterrasse konnte man sehr gemütlich speisen. So hatte sie sich mit Erna ein bisschen angefreundet und sich auch angewöhnt, sie in manchen praktischen Dingen um Rat zu fragen.
- Hallo Erna, kann ich dich sprechen? Hast Du ein wenig Zeit?
- Ach, Du bist's! Rita! Ich freu mich. Für Dich immer. Was ist? Wo brennt der Schuh?
Und so kamen sie ins Gespräch und Rita legte ihr, nach einer langen vorsichtigen Einleitung, umständlich dar, warum ihr Vertrauen zu ihrem Mann einen Riss bekommen habe.
- Seit ich diesen Lippenabdruck entdeckt habe, kann ich nicht mehr schlafen.
- Ach, du übertreibst. Dein Flori ist doch die Treue in Person. Das muss ich doch wissen, ich bin doch den ganzen Tag um ihn.
- Das ist es. Du musst es wissen. Nicht wahr, Dir würde doch auffallen, wenn mein Mann irgendeine private Verabredung hätte? Das müsstest du doch merken?
- Freilich. Aber Rita, du kennst mich doch. Ich bin in meiner Art offenherzig und harmlos, hab nie Hintergedanken. Aber ein X für ein U lass ich mir nicht vormachen. Ich riech es, wenn irgendwo geheime Süppchen gekocht werden.
Rita lächelte. Sie schwieg ein paar Sekunden.
- Bist du noch dran?, erkundigte sich Erna.
- Ja, mir ist da ein Gedanke gekommen. Etwas ganz Ungewöhnliches. Dich wird es mit Sicherheit überraschen. Und vermutlich schickt sich so etwas überhaupt nicht. Aber, es würde mich beruhigen.
- Na, jetzt machst du mich aber neugierig. Schieß los? Was hast du für einen Schlachtplan?
- Könntest du nicht einmal, nur so zum Spiel, verstehst du, zur Probe, meinen Mann ein bisschen aufs Glatteis führen?
- Wie meinst du das? Erna war ernst geworden.
- Ich meine - wenn du mich jetzt sehen könntest, würdest du merken, dass meine Wangen vor Scham hochrot geworden sind. Ich meine, könntest du... Ach ich weiß, das könntest du gut. Oh, wie gut du das könntest! Wie sehr beneide ich dich darum.
- Also jetzt endlich mal raus mit der Sprache! Erna war ungeduldig geworden.
Und nun machte ihr Rita den Vorschlag, ob Erna nicht ihrem Mann zu verstehen geben könnte, mit Blick und Wort, dass er bei ihr Chancen hätte. Sie könnte ja einmal etwas länger in der Kanzlei bleiben, sich näher zu Dr. Ehrhard hinsetzen, dabei ihren Rock etwas hochrutschen lassen, beim Diktat ihn etwas länger als nötig anschauen, mit großen glänzenden Augen.
- Bist Du verrückt!, sagte Erna. Das mutest du mir zu. Und wenn du damit dein Unglück heraufbeschwörst?
- Dann weiß ich wenigstens Bescheid.
Ein leiser Anflug von Bitterkeit und Gekränktheit war in Ritas Stimme gekommen, so dass Erna das Gefühl hatte, ihre Freundin ein bisschen trösten zu müssen.
- Hör mal, dein Mann ist dir treu. Ich bin sicher. Aber wenn es dich beruhigt, ich kann ihn ja mal testen. Du weißt, von mir hast du nichts zu befürchten.
- Das wäre ein echter Freundschaftsdienst.
Schon am nächsten Tag trug sich in der Notariatskanzlei folgende Szene zu.
- Entschuldigen Sie, Herr Ehrhard, Ihre Krawatte sitzt schief. Darf ich es korrigieren?
Erna hatte sich vor Florian hingestellt, schon etwas näher als üblich und richtete ihre Augen mit großem offenen Blick auf ihn, etwas länger, als ihr in ihrer Sekretärinnenrolle eigentlich zukam.
- Aber bitte, helfen Sie mir.
Florian konnte sich dem Charme dieser jungen Frau, die er schon lange Zeit nicht nur objektiv betrachtet hatte, nicht entziehen. Wie sie an ihn herantrat und mit ihren sanften Händen an seinem Kragen herumnestelte, wurde ihm leicht benommen zumute. Er sah in ihr Dekolleté und irgendwie geschah es, dass die beiden leicht aufeinander zukippten.
Und so kam es, dass Dr. Florian Ehrhard, der angesehene und hoch geachtete Notar der süddeutschen Kleinstadt, an diesem Abend nach Dienstschluss mit der jungen Erna in seinem dunkelroten Mercedes zur Stadt hinausfuhr, in den angrenzenden Mooswald, auf einem einsamen Wanderparkplatz anhielt, und sich dort, im Schutze der Dunkelheit, über eine Stunde lang mit seiner Sekretärin vergnügte.
- Dass ich das noch einmal erlebe, Erna, von einer jungen Frau begehrt zu werden.
- Pst! Erna legte ihm den Finger auf die Lippen. Sie wissen, wir sind beide verheiratet.
- Ja, das sind wir und wollen es bleiben. Nie würde ich meine Frau, meinen guten Lebenskameraden verlassen wollen. Und dir geht es sicher auch so.
- Ja, auch mir geht es so. Aber schon seit vielen Jahren habe ich Sie verehrt und heimlich geliebt. Das Komische ist, dass ich dabei gar nicht das Gefühl habe, meinem Mann was wegzunehmen.
- Genauso ergeht es auch mir. Weißt du, Erna - Florian verfiel nun in das Du - ich empfinde für meine Frau mehr Zärtlichkeit, als sie überhaupt will. Wenn ich mich ihr nähere, ist es oft so, dass sie mich mit sanftem Druck von sich weist.
Als sie beide das sagten und sich so ihre gegenseitigen Gefühle eingestanden, ihre Worte rasch und hitzig ausstoßend, da drückten sie sich fest an sich, Brust an Brust, so stark sie konnten. Sie hielten sich fest aneinander und umklammerten sich in ihrer beiderseitigen Einsamkeit, auch in ihrem beiderseitigen guten Willen, dem Partner treu zu sein, dem sie sich vor Gott und der Welt versprochen. Und kein Glück der Welt hätte dem Glück gleichen können, das sie hierbei miteinander empfanden.
Plötzlich aber sagten sie, fast gleichzeitig, und mussten darüber lachen, dass sie es fast gleichzeitig sagten:
- Eigentlich müssten wir jetzt doch ein schlechtes Gewissen haben.
Beide waren sehr ergriffen. Sie schauten sich lange in die Augen, tief und ernst, bevor Florian entschieden weitersprach.
- Nein, wir wollen alles so belassen, wie es ist, unseren Familien treu sein und doch an uns unsere Freude haben.
- Ja, so wollen wir es halten.
Und wieder stürzten sie, von ungestilltem Hunger nach Zärtlichkeit getrieben, in ihre Umarmungen und küssten sich, tief und innig, und wenn sie damit fertig waren, sahen sie sich wieder in die Augen und begannen das Spiel von neuem.
Und was an diesem Abend geschah, sollte sich an den folgenden Tagen wiederholen, immer an irgendeinem geheimen Ort, sei es im Nebenraum der Kanzlei, oder auf einem schattigen Parkplatz oder sonst wo. Sie wurden Kameraden der Zärtlichkeit in ihrer festen Absicht zur Treue.
Einige Tage später rief Erna ihre Freundin Rita an.
- Hör zu, Rita, du kannst wirklich unbesorgt sein. Dein Mann ist treu wie Gold. Ich hab ihm Avancen gemacht, ihm unmissverständlich angedeutet, dass er bei mir Chancen hätte. Er blieb kühl wie ein auf Eis gelegter Fisch und deutete mit freundlichem Lächeln auf seinen Ehering. - Glaub mir, Rita, auf deinen Flori kannst du dich wirklich verlassen.
- Oh, ich bin ja so erleichtert. Du bist wirklich meine beste Freundin.
Und auch Rita konnte Erna einiges erzählen über manche erstaunliche Beobachtung, die sie in den vergangenen Tagen an ihrem Mann gemacht hatte. Viel zuvorkommender sei er geworden, habe ihr, seit langer Zeit zum ersten Mal, wieder Blumen gebracht, und sogar in seiner Zärtlichkeit wirke er seit neuestem viel jugendlicher und spontaner, beweise ein ungestümes Temperament, das sie seit Jahren an ihm nicht mehr gekannt habe. Kurzum, Ernas Sympathieangebot habe ihn von Grund auf verwandelt. Ihr Flori sei wie ausgewechselt und auch sie sei nun wieder sehr glücklich.
Und glücklich waren sie nun in der Tat alle vier, ein jedes auf seine Art. Wann aber immer sich Gelegenheit bot, schenkten sich Erna und Florian ihre heimlichen Küsse. Wohl darf man annehmen, dass es irgendwann bei den Küssen wahrscheinlich nicht bleiben würde. Rita indessen hatte ihren Mann wieder gefunden und hing an ihm in liebender Treue. Und Amor, der gütige Gott aller Liebenden, breitete einen schützenden Schleier über das, was im Interesse der Liebe nicht bekannt werden durfte. Allerdings lauerten auch schon die Erinnyen, rachsüchtige Göttinnen, die den Menschen jegliches Glück neideten, in ihren Verstecken und wetzten ihre Geierschnäbel.

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