Gespenstisches – 23. Zusammenstoß zweier Gespenster im Jenseits

Bild von Alf Glocker
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Bums!

Hoppla, wo kommst du denn her? Ich hab dich gar nicht bemerkt!

Ich dich auch nicht, sorry! Ich war reichlich benommen – wahrscheinlich, weil ich noch nicht wieder ganz bei mir bin …

Und wo warst du vorher?

Auf der Erde, ich lebe eigentlich noch, ich habe nur nachgedacht und dabei ist mir so schlecht geworden, daß ich die Besinnung verloren habe. Dies hier ist für mich quasi eine „Nahtoderfahrung“.

Oh!

Ja, ich war ursprünglich nicht absichtlich im Nirgendwo, aber dann habe ich beschlossen, hier noch ein Weilchen Urlaub zu machen. Ich dachte, ich treffe vielleicht jemand, der mir etwas erklären kann.

Ha, ich fürchte, ich werde dir nicht viel weiterhelfen können, ich bin nämlich noch nie geboren worden – ein Ungeborener sozusagen. Ich weiß nichts Definitives aus deiner Welt, ich habe mir nur einiges vorgenommen, wenn ich demnächst dort ankommen werde. Aber sprich: Was hat dich den dermaßen erschüttert, daß dir so furchtbar schlecht geworden ist?

Nun, ich habe mal nüchtern überschlagen, was ich im Leben alles erlebt und gelernt habe …

Soso! Und das hast du dabei empfunden?

Naja, ich habe mich erst einmal gefragt, warum überhaupt jemand geboren werden möchte!

Pfui!!

Denk doch mal „nach“ … ach so, das kannst du ja gar nicht …

Ich lasse meine Phantasien walten!

Was ich gesehen und erfahren habe kannst du dir gar nicht vorstellen!

Wassss dennn?

Nun, es fängt mit dem Essen an. Ich wollte eine ausgewogene und nahrhafte Kost aus allem, was meine Vorfahren „kultiviert“ hatten. Dabei musste ich bemerken, wie sehr das mit Leiden verbunden ist.

Du leidest beim Essen?

Nicht ich, mein Freund! Ich esse Fleisch von Tieren, die zum Schlachten gezüchtet wurden! Dann besitze ich Möbel aus dem Holz von Bäumen, die dafür geschlagen werden. Ich lasse allerlei morden! Aber nicht nur ich morde gewissermaßen. In der Tierwelt der Wildnis ist es noch schlimmer, da gibt es Herden, die ganze Landstriche kahlfressen und andere Tiere, die die Pflanzenfresser fressen! Von den urtümlichsten Lebewesen bis hinauf zu den klügsten Tieren, den Menschen ist es eine einzige, sogenannte „Nahrungskette“, an deren Spitze die Stärksten oder die Intelligentesten stehen.

Erschütternd – haha …

Ja, aber das ist noch längst nicht alles. Diese sogenannten „Intelligentesten“ liegen andauernd mit sich in einem tödlichen Wettstreit: Einer vergönnt dem anderen nichts! Familien, Stämme und ganze Völker rotten sich gegenseitig aus, behaupten aber öffentlich steif und fest, nur friedliche Absichten zu haben. Es ist immer Krieg und wenn Frieden ist, ist auch Krieg – man registriert ihn bloß nicht!

Das geht?

Das geht ohne Weiteres! Wenn z. B. die Reichen ihren Hals nicht mehr vollkriegen, die Armen oder die Ärmeren auch ihren Anteil am Bruttosozialprodukt haben wollen, dann werden sie wegrationalisiert. Dann verkünden die Reichen auf einmal, alle Menschen seien plötzlich gleich und es gäbe sogar nicht einmal mehr Rassen – und alles nur, damit billige Arbeitskräfte ins Land strömen, von denen man glaubt, sie könnten die gleichen Arbeiten machen wie die bisherigen Bürger.

Sowas gibt’s?

Ja, logisch! Dazu kommt dann noch die Religion. Wenn einer überhaupt nichts im Kopf hat und nur seinem Glauben vertraut, dann hilft er den Reichen auch noch indirekt beim Ermorden derer, die Ansprüche gegenüber dem Leben geäußert haben, und er denkt sich dabei, er sei hochmoralisch und im Auftrag seines Gottes unterwegs.

Und was macht die Liebe? Kann die denn nichts ausrichten?

Das kommt darauf an: Bei den Gläubigen ist sie so sehr von Bedeutung, daß sie schon wieder bedeutungslos geworden ist, und bei den Menschen mit Anspruch und „Bildung“ setzt sie ungeheure Wünsche frei – das ist kein Spaß mehr!

Uff!

Schau auf die Frauen der zivilisierten Nationen - sie sind so schön geworden, daß sie sich für alles zu schade sind. Und die Männer dort sind restlos verweichlichte Beckenrandschwimmer. Sie „verstehen“ die Frauen und halten sich respektvoll von ihnen fern!

Haha!

Da nehmen sich dann die Schönen „wirkliche“ Männer, von denen sie glauben, daß der Sex mit ihnen eine Offenbarung sei – oft genug werden sie aber umgehend verprügelt und oder entrechtet und wenn sie dann das dritte Kind geboren haben, ist es zu spät. Und die Warmduscher in ihren Latzhosen suchen sich Gespielinnen aus Weltregionen, wo die Frauen nicht viel zum Essen haben und deshalb, im Vorhinein, blauäugig, für dankbar gehalten werden. Die müssen dann auch nicht schön sein, nur willig.

Aha …

Ja, der Sex ist das größte Vergnügen, aber meistens kommt dabei – natürlich – nur ein geringes Maß an Zufriedenheit: Das kurze Hochgefühl wird von einer lebenslangen Knechtschaft abgelöst. Aber das war früher bei den ganz normalen Heterosexuellen auch schon so. Nicht ohne Grund werden die überkandidelten Dekadenten schwul oder lesbisch. Sie glauben, das sei einfacher – außerdem macht es den neuen Starken Platz. Das ist sogar staatlich erwünscht!

Neiiin!!

Doch! Dann gibt es da aber auch noch die Krankheiten. Keiner ist vor ihnen sicher. Es gibt ansteckende und welche, die sogar vererbt werden können. Viele von ihnen sind unglaublich grausam und grenzen an Folter. Und wenn wir dann endlich sterben müssen, dann können wir froh sein, daß es hoffentlich schnell geht …

Stopp – mir reicht es jetzt!

Du hast recht. Ich wollte dich nicht durcheinanderbringen.

Weißt du, wenn ich geboren werde, dann habe ich mir vorgenommen, alles „richtig“ zu beurteilen!

Wie?

Ganz einfach, ich werde mit Genuss essen und trinken. Ich werde bedingungslos lieben und ich werde jeden Wandel in der Welt tolerieren – alles mitmachen, ohne an mir und meinem Schicksal zu zweifeln. Ich werde sagen: „Wir haben viel geschafft und wir teilen das jetzt mit denen, die noch ärmer sind als die Armen in meinem Land …

Respekt!

Ich will die wunderschöne Natur einfach nur bewundern und den Löwen als mächtig und eindrucksvoll ansehen, und seine Beute, die Antilopen, als wunderschöne Tiere, von denen sich der Löwe jeden Tag eine nehmen darf und soll, damit die Natur im Gleichgewicht bleibt und nicht alles kahlgefressen wird.

Bravo!

Ich werde gerne an einen gütigen Gott glauben und an eine treusorgende Regierung, deren Überwachsungsbemühungen, den Bürgern gegenüber, nur zu unserem Besten sind. Ich werde keine Angst vor Krankheiten haben, sondern jeden Augenblick feiern, den ich am Leben bin. Wenn es einen Krieg gibt, dann möchte ich für den Frieden kämpfen – wenn es sein muss mit der Waffe in der Hand. Irgendwer wird mir schon erklären können, wer, warum, auf der richtigen Seite steht.

Haha!

Da gibt es nichts zu lachen! Ich möchte eine Familie haben und sie beschützen, ihr Raum und Nahrung geben und das notfalls auch von denen nehmen, die gegen uns, also gegen den Frieden sind. Ich möchte den Gesetzen der Erde folgen, weil ich weiß, daß am Ende immer die Vernunft siegt – und dessen will ich mir auch ganz sicher sein!

O weh!

Ja, wohin mich mein Schicksal auch führt, ich werde durch nichts zu erschüttern sein. Niemand wird mir weismachen können, daß das Leben grundsätzlich verdorben und grausam ist. Ich werde fleißig sein und viel lernen, Ich werde meinen Lehrern ein guter Schüler sein und ihnen vertrauen, denn Vertrauen ist das wichtigste Gut des Lebens! Was ich kann, werde ich leisten, damit es meine Kinder einmal besser haben als ich, oder zumindest so gut, daß sie weiter an sich glauben können. Denn alles was geschieht, wird schon einen Sinn haben, den ich zwar nicht verstehen, ihm aber folgen kann. Gottes Ratschlüsse sind unergründlich!

Huch!

Und ich werde sagen, daß es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die niemals ein Mensch begreifen wird, so sehr wir uns auch anstrengen und so gebildet wir auch einmal sein werden. Das wird mein Vertrauen in die Welt noch verfestigen und meinen fleischlichen, sprich „geistigen“ Erben die Gelegenheit geben, eine gute Zukunft vor sich zu wissen. Denn Wissen ist Macht!

Ach …

Genau! Man muss erkennen, daß die Erde ewig ist – wir müssen nicht von hier fort, auf andere Planeten z. B. Wir können hier das Paradies der Gläubigen errichten und alles Böse vernichten, damit es uns gut geht. Am besten macht man das, indem man das anerkannte Vertretbare toleriert und, mit allen zusammen, gemeinsam an einem System arbeitet, das schlau genug ist zu erkennen, wer die größten Ressourcen für eine tragfähige Zukunft mitbringt. Das ist amtlich!

Soso!

Ja, und dafür müssen wir auch gegen uns selbst konsequent vorgehen, damit wir nicht nur glücklich werden, sondern es auch bleiben können. Das wird höchstwahrscheinlich Opfer fordern! Ich hoffe, ich werde nicht bei diesen „Opfern“ sein, sondern ein langes, erfülltes Leben haben, in welchem ich erfahren darf, daß alles gut wird. In diesem Sinne werde ich mich dann auch gelegentlich selbst ein bisschen täusche, täuschen lassen, wenn das erforderlich werden sollte!

Stopp! Bitte hör auf – mir wird schon wieder schlecht …

Echt?

Ja, ich glaube ich gehe wieder zurück und höre zu denken auf und, oder ich meditiere nur noch, um nicht schwermütig zu werden. Ich wende mich ab … Mach‘s gut, liebes Gespenst eines Ungeborenen – vielleicht sehen wir uns ja noch in der sogenannten „Realität“ wieder … vorausgesetzt, ich halte noch so lange durch, bis du geboren und erwachsen bist.

Warten wir’s ab!

Genau! Aber eine Bitte hätte ich noch: Erschlag mich lieber nicht, wenn du mich da sitzen und meditieren siehst, sondern erinnere dich an deine Vorhaben …

Welche?

Na, Liebe und Toleranz eben – auch wenn ich für dich ein Ungläubiger sein sollte!

Ciao!

Ciao!

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Kommentare

06. Dez 2020

Wenn die Geister kollidieren,
Kann man dies im Körper spüren ...

LG Axel

07. Dez 2020

Toller Text !!!
HG Olaf