Leseeindrücke:
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Zu Sting „Lyrics“ von Simon & Schuster bzw. „Die Songs“ – S. Fischer
Ein wunderbar aufgemachtes Buch von Simon & Schuster, mit den Texten, die mich mein Lebtag begleiten. Ich frage mich, warum S. Fischer sich für die zweisprachige Ausgabe nicht so viel Mühe gab.
Mich regt das Buch an, selbst zu singen ... Um mit- oder mit Playback zu singen, sehr gut.
Ich bin fasziniert von der Lebensgeschichte des Milchmann-Sohns zum Doktor der Musik, zum Ritter der englischen Majestät.
Das Buch wurde sehr effektvoll und mit viel Sinn für die Details im Design gemacht ... Das Buch von Fischer ist dagegen lieblos. Die Übersetzungen vom Fischer Verlag fand ich nicht gut, da versucht wird zu reimen, was man nicht unbedingt tun muss.
Für Sting-Fans ein Muss ... Gerne hätte ich, dass meine Lektorenfreundin von Suhrkamp mal die Texte überträgt ... Sie ist wie ich ein leidenschaftlicher Fan seiner Musik.
Ich grüße alle Police- und Sting-Fans,
Uwe Kraus
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Zu Ossip Mandelstam „Bahnhofskonzert“ – S. Fischer
Mein neuer Freund! Der Stern ist ergreifend. Nicht messbar auf einer Skala, mit der man Literatur in diversen Onlineshops bewertet. Ich habe noch nie etwas Sensibleres gelesen ... Es ist wunderbar, wie er verknüpft und die Reimschemata wirken lässt ... Zärtlich seine Biegungen und Windungen zu erleben. Er schreibt auch über Tennis. Gerade seine ersten unbetitelten Werke aus dem Stern ergreifen mich am meisten ... Es ist furchtbar, dass er in einem Arbeitslager sterben musste ... Er hinterließ auch Essays zur Poetik und autobiographische Prosa ... Gerne befasse ich mich noch damit ...
Wenn jemand über blondes Haar schreiben kann, dann nur er.
Ich wünsche viel Lesevergnügen, obwohl es mich traurig macht, dass er so viel erleiden musste! Durch eine Schutzinfektion fand sein Leben ein trauriges Ende. Das Buch zeigt, wie wichtig Literatur in der Zeit der Unmündigkeit ist ...
Herzlichst,
Uwe Kraus
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Marion Poschmann „Nimbus“ - Suhrkamp
„Nimbus“ ist der neue Band von Marion Poschmann. Es ist der beste Band, den Suhrkamp in den letzten Jahren an Lyrik herausgab. Sie ist ein Erzähler, Beobachter, und lässt bildhaft Worte Assoziationen im Kopf illuminieren. Gerne liest man von Eis in allen Facetten, Natur, Krieg nur gehaucht.
Bilder, die brauchbar sind. Es gibt die Wortspieler, die, die versuchen, nichts Wirkliches zu erzählen. Ganz anders Poschmann. Erinnernd an z. B. die großen Amerikaner bringt sie etwas in Gang. Eine Phantasiewelt, die aus dem Gedicht tritt. Keine Versatzstücke, die unerklärlich erscheinen. Mich freut der nicht verrücktwerdende Ton, der aus eigenen Kopfgeburten tritt! Schon ihr erstes Gedicht vom Fahrradfahren von glitzernden Kieseln ist inspirierend gewesen. Darum kaufte ich mir ihr Buch und es war kein Fehler!
Dichter, die erst erklären müssen warum sie etwas schreiben, denen also die Phantasie fehlt oder die essayhaftige Gedichte schreiben, sind meiner Meinung out!
Es zählt das Erleben und die Beschreibung und das damit verbundene Verzahnen der Bilder. Das macht Frau Poschmann sehr gut.
Ich hoffe, es finden sich viele, die diese Idee forttragen!
Uwe Kraus, den 20.04.20
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Novalis „Hymnen an die Nacht – Die Christenheit oder Europa“ Insel Verlag
Novalis, Freiherr von Hardenberg, begründete die große idealistische Traumwelt der Romantik ... unglücklich Verlobter, heimlich Verlobter und Schüler Schillers, hat die Unendlichkeit der Poesie entworfen. Die Rückwendung zur Freiheit der Menschen, die Verschmelzung von Poesie und Philosophie, ist ihm gelungen ... Ich wollte nach ihm eine zweite Romantik ins Leben rufen, die Reromantik ... Novalis ist für mich der höchste Dichter, erst danach folgen Hölderlin und Nietzsche. Goethe kann ihm nicht das Wasser reichen. „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es." Dieses Zitat versuche ich in jedem Gedicht zu beleben, so wie alle Dichter es versuchen! Novalis, der Urgeist der Romantik, starb für mich leider viel zu früh! Er hätte ein weitaus wichtigeres Werk herausgegeben, wenn er nicht an Mukoviszidose gestorben wäre ...
Uwe Kraus
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Hannes Bajohr „Halbzeug“, Suhrkamp
Bajohr, 1984 geboren, hat einen eigenen Zugang zur Poesie. Angelehnt an Ernst Jandl verfasst er Computerstiche, fast Lochkarten, Algorithmen und künstliche Äste künstlicher Bäume ... Er ist kein Erzähler, eher Realist, und taucht nur kurz unter die irrationale Decke; seine Gedichte beschreiben das 21. Jahrhundert, welches mit fast mathematisch abgefassten Drucken, düster und grau über uns schwebt ... die Gedichte könnten auch in Installationen und Projektionen bei Ausstellungen gezeigt werden. Wahrlich erfahrenswert in schöner Optik verfasst ... Danke an Suhrkamp, danke dem Verfasser. ...
Uwe Kraus
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„das zehn zeilen buch“ von Sudabeh Mohafez – Edition Azur
Liebe Lyrikkenner, ich bin überrascht wie kurzweilig und intensiv 10 Zeilen in verdichteter, poetischer Prosa sein können. Das Buch lebt, nicht zuletzt von der Schönheit der filigranen Sätze.
„er maß den himmel aus: zenitweit. Der himmel aber war, was er immer gewesen ist …“
Fast biblisch klingen die melodischen Stücke. Erst war ich gelangweilt, denn ich dachte, es sei wirkliche Kurzprosa. Und da wäre mir eine 10-Zeilen-Kurzgeschichte lieb gewesen … denn es ist sehr anspruchsvoll, in 10 Zeilen etwas z. B. eine Shortstory zu schreiben …
Fred Heidingsfelder aus der Lauterer Autorengruppe schrieb immer eine Kurzgeschichte auf einer Seite … das war wunderbar, denn es nicht einfach, einen Krimi auf eine Seite zu reduzieren ...
Aber egal. Frau Mohafez hat wirklich einen poetischen Duktus … eine wundervolle Art zu schreiben …
Helge Pfannenschmidt, ihrem Verleger, sagte ich, ich kann dafür nicht schreiben, da ich es anfangs überflog und glaubte, es sollen eben kurze Geschichten sein. Das sind sie für mich nicht, auch wenn es auf dem wunderschönen Buchcover vermerkt ist …Aber meist ist ein Gedicht mehr als nur wie bei manchem Wortklauberei ...
Aber das war auch die Zeit, in der ich keinen Zugang mehr zur Poesie hatte.
Es ist faszinierend, wie man so Sätze bauen kann. Es stört etwas, dass Namen abgekürzt werden, da es unpoetisch ist. Es stört absolut den Lesefluss.
Aber überzeugt euch selbst. Das Buch ist in der Edition Azur erschienen, dem besten Verlag für junge Gegenwartslyrik.
Somit schließe ich,
Uwe Kraus