Mein Verlobter

Bild von Anita Zöhrer
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Ein besonderes Jahr ist dieses Jahr, weniger für mich als für meinen Vater. Als Leibarzt für unsere Königin ist er tätig, ohne jeglicher adligen Abstammung. Trotzdem hat er es zur Verwunderung aller geschafft, dass diese mich als Gemahlin für ihren Sohn, den Prinzen erwählt hat. Eine außergewöhnliche Ehre, die meiner Familie zuteilwird, betont mein Vater ständig in meiner Gegenwart. Kein schlimmeres Unheil hätte mir widerfahren können als eine Vermählung mit diesem Mann.

Wie habe ich es einst geliebt, auf meinem Schimmel durch die Wälder zu galoppieren. Doch seit meiner Verlobung ist mir jede Freude daran vergangen. Seither bin ich nämlich nicht mehr allein unterwegs, sondern stets in Begleitung des Prinzen. Die Wege, die wir reiten, bestimmt einzig er, nur im Damensattel und in albernen Kleidern gekleidet darf ich mich an seiner Seite zeigen.

Aufrecht sitzt er in seinem Sattel und starrt die ganze Zeit über gerade aus. Was um ihn herum passiert, interessiert ihm nicht im geringsten, Kostbarkeiten sind für ihn seine Reichtümer, aber nicht die Gaben der Natur. Noch nicht einmal sprechen darf ich ohne seine Erlaubnis und selbst wenn er einen seiner gütigen Momente hat, hört er mir nicht zu. Im gesamten Königreich existiert nicht ein Zweiter, der solch ein Idiot ist wie er, und ausgerechnet ich muss seine Frau werden.

Nach unserer Rückkehr kann ich es jedes Mal kaum erwarten, meine lächerliche Kleidung gegen meine Arbeitshosen zu tauschen. Zwar ziere sich dies nicht für eine Prinzgemahlin, wie mein Vater und der Prinz mir bereits mehrfach vorgeworfen haben, doch umso mehr sie sich sträuben, desto lieber laufe ich wie ein Mann auf einem Bauernhof herum.

Abends zerrt mich mein Vater in die Messe, an der ausschließlich die hoheitliche Familie sowie ihr Hofstaat und wir beide teilnehmen dürfen. Ebenso ehrt dies meinen Vater sehr, ich hingegen finde das Theater schlicht und weg unnötig. Schon lange glaube ich an keinen Gott mehr. Wenn er wirklich existierte, warum lässt er mich dann im Stich?

Zahlreiche Diskussionen habe ich mit den Padres des Franziskanerklosters unserer Heimat bereits deswegen geführt, sie sind auch die einzigen, mit denen ich über alles reden kann. Vor allem einer der Jüngeren hat es mir angetan, keinen besseren Freund als ihn könnte ich haben. Umso härter trifft es mich, als er eines Tages versetzt werden soll. Nicht zulassen will ich es, dass ich ihn verliere. Alles will ich daran setzen, dass er bei mir bleibt, und wenn ich ihn begleiten muss.

1. Teil der Reihe "Mein Freund der Franziskaner"

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