Seiten
zu mir sprach.
„Wir reisen heute Abend noch ab. Der Shogun ordnete dies an und es liegt auch
in Asanos Interesse. Er wünscht sich, dass wir auf Takeda aufpassen, doch es
wird wohl kaum möglich sein, da wir sicherlich unter anderen Fürsten aufgeteilt
werden. Drum lass dir gesagt sein, dass wir im ständigen Kontakt zueinander
stehen sollten um unsere Rache zu planen. Nimm auch Takeda mit zu deinem
Fürsten. Vielleicht kann sie ihm im Haushalt dienen.“
Ich war nicht so sehr von der Idee Oishis begeistert. Takeda mit zu einem
fremden Fürsten zu nehmen...sie war eine Geisha und ist es jetzt nicht mehr!
„Sie wird ihm auch woanders dienen müssen“, bedachte ich.
„Darauf sollst du aufpassen.“
Ich nickte halb überzeugt und ging mein Pferd holen. Innerhalb von einer Stunde
waren wir zur Abreise bereit. Asano verabschiedete sich von dem Shogun, schwang
sich auf sein Pferd, hob die Hand und galoppierte voraus. Nach Harima war es
schon ein kleines Stückchen, doch ich verbrachte die Zeit in einem stillen
Gebet. Der Wind war kühl, aber ich konnte den nahenden Frühling schon
wahrnehmen.
„Niikara!“, rief mich Oishi nach vorne.
Ich trieb mein Pferd an und verließ somit die Nachhut. Neben meinem Anführer
fiel mein Pferd wieder in den Schritt zurück. Fragend sah ich Oishi an.
„Was gibt es?“
„Takeda möchte mit dir sprechen.“
Ich zog verwundert eine Augenbraue hoch, hielt mein Pferd an und wartete auf
Takeda, die schon angaloppiert kam. Ihr Haar war zu einem festen Zopf
zusammengebunden, ihre Augen funkelten traurig.
„Niikara, ich habe gehört, dass ich mit gehen soll.“
„Ja. Da hast du richtig gehört. Das Gericht wird uns sicherlich alle aufteilen,
aber keine Angst. So leicht werden wir den Tod von Asano nicht hinnehmen.“
Takeda sah mich panisch an.
„Tod? Warum redet ihr alle von Tod? Asano spricht mit mir, als ob er morgen
sterben müsse.“
Ich hätte sie sehr gerne in meine Arme genommen um sie zu trösten.
„Es ist doch bei Todesstrafe verboten das Schwert am Hofe des Shogun zu
ziehen.“
„Aber...“
„So sind die Gesetze.“
Takeda sah auf ihren Sattel und schwieg. Ich erlaubte mir kurz ihre Hand sanft
zu drücken, dann musste ich wieder der unnahbare Samurai sein, drehte mein
Pferd und galoppierte zu meinem ursprünglichen Platz in der Nachhut zurück.
In Harima bekamen wir Asano nicht mehr zu Gesicht und Takeda nur noch sehr
selten. Sie war traurig, arbeitete viel um zu vergessen oder zu verdrängen.
Wenn ich mit Oishi über die Felder spazierte, sahen wir sie alleine in der
Baumkrone unserer Weide sitzen. Sie sang, sie blickte in den Himmel und zählte
die Krähen, welche dort herum flatterten.
„Ich hätte nie gedacht, dass solch ein junges Mädchen unseren älteren Fürsten
so aufrecht lieben kann“, überlegte Oishi, als wir uns auf den Rückweg machten.
Takeda war alleine am Waldrand entlang spaziert und hatte Blumen gepflückt.
„Asano hat sie aus der Geisha-Hölle geholt.“
„So schlecht haben es die Geishas auch nicht.“
„Aber auch nicht so gut wie Takeda es bis vor kurzem hatte.“
Oishi sah mich lange an, dann umspielte ein verständnisvolles Lächeln seine
Lippen.
„Sicherlich nicht. Da hast du recht. Was anderes: Wann ist der Gerichtstermin?“
„In einer Woche soweit ich weiß.“
Oishi strich nachdenklich über den Schaft seines Katanas. Würde dieses schon
bald unseren Fürsten rächen? Ich blickte in eine trübe Zukunft.
Schließlich kam der Gerichtstag und Asano wurde zum Tod durch Seppuku
verurteilt. Es war ein regnerischer Tag. Der Himmel weinte um einen tollen
Menschen, den die Erde verloren hatte. Bei der Urteilsverkündung durften wie
selber nicht dabei sein, doch bei der Ausführung des Seppuku. Takeda brach
während des Rituals zusammen und wurde hinausgetragen. Ich hatte sie gewarnt
und gebeten zuhause zu bleibe, doch das eigenwillige Mädchen wollte nicht auf
mich hören. Oishi war der Kaikashu und befreite Asano von seinen Schmerzen. Ich
spürte einen tiefen Stich in meinem Herzen, als Asano mit todesgeweihten Augen
zu mir sah und leise: „Niikara...Risa“, keuchte. Tränen brannten mir in den
Augen und ich ließ ihnen freien lauf. Niemand sagte etwas, niemand bezeichnete
mich als einen schwachen Menschen, denn sie spürten welcher Zauber in der Luft
lag.
Asanos Lehen fielen an die Regierung und wir wurden zu Ronin. Nun lag es ja
nahe, dass wir uns für den Tod unseres Herren rächen würden, sodass die Richter
beschlossen, uns Ronin auf vier Lehensherren zu verteilen. Takeda und ich
erwischten einen besonders widerlichen Menschen, der tief in seiner Seele
verdorben war. Ich blieb in Takedas Nähe und ließ sie nicht mehr aus den Augen.
Das einzige Problem war, dass ich in einer kleinen Hütte neben dem Anwesen
schlafen musste, während Takeda ein Zimmer neben dem des Daimyos hatte. Ich
wälzte mich schlaflos Nacht für Nacht hin und her und konnte nicht ruhig
schlafen, weil ich Angst hatte zu versagen. Eines nachts vernahm ich, dass sich
jemand in die Hütte schlich. Ich zog mein Wakizashi und blieb regungslos im
Bett liegen. Der Fremde trat an mein Bett. Ich schoss blitzschnell hervor, warf
die Gestalt auf den Rück und hielt ihr die Klinge an den Hals.
„Niikara...ich bin es doch.“
Ich spürte schlanke Finger, die sich schüchtern um mein Handgelenk legten. Ich
schluckte und richtete mich wieder auf. Meine Augen gewöhnten sich an die
Dunkelheit und ich erkannte Takeda, die auf meinem Bett lag.
„Takeda“, zischte ich. „Was machst du hier? Du musst zurück.“
„Nein!“, rief sie panisch und warf sich mir in die Arme. „Schick mich nicht
zurück. Der Mensch ist widerlich.“
Oh je, dachte ich nur noch und ertappte mich dabei wie ich Takeda stärker an
mich drückte um sie vor dem Bösen der Welt zu schützen.
„Was hast du dir gedacht was du jetzt machen willst?“
„Ich will weg von hier.“
Ich sah mein Wakizashi auf dem Bett liegen und überlegte, dann nahm ich es.
Takeda sah mich fragend an.
„Du bleibst hier.“
Takeda sprang auf, als ich an der Tür stand und plötzlich küsste sie mich. Ich
drückte sie von mir und schüttelte den Kopf, denn für mich gehörte sie immer
noch Asano.
Leise schlich ich durch das Anwesen, schob die Tür zur Schlafkammer auf und
erblickte Nagizawa, der friedlich in seinem Bett schlief. Lautlos stellte ich
mich vor das Bett. In der Kammer schwebte noch Takedas Duft und ihre Angst. Ich
vernahm ihre hilflosen Schreie. Ohne jegliche Gefühle packte ich Nagizawas
Kopf. Mein Daimyo schreckte kurz auf, dann hatte ich ihn getötet.
Draußen stand Takeda schon mit zwei Pferden. Wir sprangen hinauf und
galoppierten rastlos Richtung Edo, denn dort wollte Oishi sich mit uns Samurai
treffen. Ich wusste nicht wohin ich mit Takeda sollte, doch diese Frage
beantwortete sich ganz von selbst. Vor den Toren Edos
©Giulia Strek/ 2007
Diese Geschichte ist eine Nacherzählung einer japanischen Legende von den 47 Samurai.