Schon mal überlegt? - Eine Betrachtung in 2 Teilen

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von Alf Glocker

Schon mal überlegt? 1

Wenn sich, im Barbie-Land, Carl Kent und Luise Lotter von Herzen einig sind, dann beginnen sie sich zu lieben! Wie von selbst entsteht daraus ein neues, freies Wesen, das die vielfältigen Freuden des Daseins vor sich hat. Die Zeit dafür ist „unbegrenzt“! Aufgrund der Umstände ist es nicht etwa wie bei Schrödingers Katze (man weiß nicht genau), sondern der Liebe des Universums unterworfen. Und diese Liebe herrscht überall! Zuerst begegnet sie ihm im Kindergarten, wo sich die neuen Erdenbewohner treffen um sich besser kennen zu lernen. Danach ist der Staat bemüht, an alle hinzugekommenen Neugierigen genau das Wissen zu vermitteln, welches gebraucht wird, Menschen dabei zu helfen Mensch zu werden.

In der Schule lernt man immer das, worauf es ankommt, zuerst. Und das ist: Mitgefühl, Empathie – feines Empfinden und Erspüren der vorgefundenen Wirklichkeit eben (so, wie die Seele davon spricht). Ein engagiertes In-sich-hinein-Hören erfährt eine höhere Wertung, als der vorbereitete Lehrplan, da Dogmen erst gar nicht aufgebaut werden dürfen. Jeder erfährt, von Anfang an, die Würdigung seiner Talente, die natürliche Unterschiede zwar aufdeckt, dies jedoch nur zu unbedingt erforderlichen Privilegien führt. Die Achtung von Mensch zu Mensch ist oberstes Gebot! Für den Ehrlichen besteht niemals ein Grund sich von diesem System abzuwenden.

Inzwischen werden die Eltern von allen Seiten umsorgt und gehätschelt. Extra Beauftrage prüfen die Umstände unter denen sie bislang wohnen. Meistens wird sofort eine schönere/größere Wohnung in sauberer Umgebung verordnet. Weitere staatliche Unterstützungen sind gewiss. Aufgrund einer Extra-Steuer für Superreiche kann sich jede Familie den ihr zukommenden Wohlstand leisten. Männer, die eine Familie gründen, erfahren mehr Anerkennung als Männer, die große Autos fahren und Frauen werden – ganz automatisch – zur Kinderpflege, bis ins Pubertätsalter freigestellt. Geborgenheit und gewissenhaft durchgeführte Familienpolitik sind wichtiger als das Wirtschaftswachstum, da sich, auf lange Sicht, daraus eine sichere Wirtschaft ergibt. Befragungen von Eltern und Kindern, ob es ihnen auch gut gehe, sind an der Tagesordnung!

Die Gesellschaft gedeiht, sie entwickelt sich weiter! Regierungsversprechungen unterliegen 1. der absoluten Einhaltungspflicht, sowie 2., im Vorfeld schon der genauen Überprüfung auf deren Umsetzbarkeit. Wer unehrlich oder unintelligent (im Sinne von
„nicht an fast alles gedacht zu haben“) regiert wird sofort aus dem Amt verscheucht und entweder nie wieder, oder vielleicht, nach Beweisantritt hinzugekommener logischer Fähigkeiten, eventuell erneut in Erwägung gezogen. Das Bevölkerungsministerium achtet darauf, daß immer genug Land für Naturbelange, Landwirtschaft, Wohnraum und Verbindungswege zur Verfügung steht, wobei den Vorrang eindeutig die Umwelt hat, denn von ihr wird der ganz Rest getragen! Die Natur ist heilig und die Menschheit trägt für sie insoweit die volle Verantwortung als es in ihrer Macht steht.

Sinnsuchende aller Herren Länder, sind, soweit sie einen Sinn zu geben haben, willkommen. Scheherezade und Ali Baba tragen zur weiteren Bereicherung einer humanen Gesamtkonstruktion bei und werden demnach gebührend gefördert – wie jedes andere, gewissenhafte Mitglied der freien Gesellschaft auch. Die 40 Räuber werden gebeten sich dort aufzuhalten, wo sich eine, ihnen entsprechende Fauna willkürlich inszeniert. Ihre Ganovenehre müssen sie unter sich ausleben! Die Harmonie, innerhalb der seit Jahrhunderten, nicht ganz umsonst gewachsenen Staats = Mentalitäts-Grenzen ist oberstes Gebot und daher unverletzlich! Jeder, der guten Willens ist, soll durch den Trost seiner Zeit und die Erfüllung seiner Tage erleben, wie man die Früchte der Anstrengungen vorangegangener Generationen ernten kann, solange er glücklich vorhanden ist!

Schon mal überlegt? 2

Geh einmal in dich. Was siehst du? Nichts? Oder: wenn Du zeugst, dann verhängst du ein Todesurteil und wenn du gebärst, dann schickst du jemanden in die Todeszelle! Und was kommt dann? Dann gerät der Delinquent in die Interessensbereiche der Überlebensstrategen. Er wird gefoltert! Bereits im Kindergarten beginnen Rangkämpfe und Mobbing. In der Schule wird genau das eingetrichtert, was die Mächtigen zur Verwirklichung ihrer, von Untergebenen/Unterlegenen, nicht nachvollziehbaren Ziele brauchen. Verwendbarkeit ist gefragt, nicht der feine Sinn zum Verstehen der Welt. Sollte einer sich weigern, oder gar nach der Wahrheit streben, wird er zurechtgewiesen! Anpassung, sprich „Unterordnung“ wird belohnt! Nichts Anderes! Und wer sich innerhalb der Regeln verhält, kommt einigermaßen ungeschoren davon.

Wer sich vor dem Schulbetrieb und seiner Grobmotorik ängstigt, der wird bestraft: geächtet, benachteiligt, übergangen. Sensibilität und Individualismus sind absolut zweitrangig. Eine sogenannte „realistische Grundeinstellung“ ist gefragt. Sie beinhaltet – in verwegener Selbstverständlichkeit – eine arschkalte Betrachtung der anderen Strafgefangenen, sowie den Wärtern gegenüber. Nur daraus ergeben sich die Möglichkeiten jemanden zu bestechen, oder durch Schleimertum für sich einzunehmen. Wer, von Anfang an, seinen eigenen Standpunkt vertritt, bekommt Einzelhaft verordnet, die er sich – nach Meinung des Apparates – selbst zuzuschreiben hat.

Inzwischen werden die Erzeuger der Neuzugänge von allen Seiten angegriffen. Neben dem offiziellen Lob, etwas gespielt-freudiger Anteilnahme, müssen sie eine größere Wohnung bezahlen. Die, zusammen, mit all den Brutpflegekosten, erfordert weit mehr finanziellen Aufwand, als der Staat je bereit ist zu zahlen. In den Betrieben werden die Eltern, mit dem Hinweis auf den Begriff „Familie“, erpresst. „Wenn sie nicht mehr arbeiten für weniger Geld, dann verlieren sie ihren Job! Wir lassen dann in Billiglohnländern herstellen, wo die Leute mit weniger zufrieden sind, oder wir holen von dort Arbeitskräfte ins Land, die dann ihren Platz einnehmen!“ Selbstverständlich ist auch, daß die Frauen, bei Ankunft des ersten Delinquenten, mehr eingespannt sind als im Leben zuvor! Sie müssen sich um die Frischlinge kümmern und zusätzlich eine Maloche aufsuchen, weil man sich sonst nichts mehr leisten kann. In manchen Fällen reicht es dann noch nicht einmal mehr zum Essen!

Das Ganze wird von der Direktion damit honoriert, daß die Zeiten unsicherer und die Versprechungen daher nicht eingehalten werden können. Die Zellentrakte werden immer enger! Die tägliche Ankunft Neuer von Inner- und Außerhalb erfordert immer striktere Maßnahmen. Darunter leiden die wenigen, verbliebenen Freiheiten. Die Luft wird schlechter, der Wohnraum wird knapper – er reicht nicht mehr für alle aus. Der Schwarzhandel, vor allem der mit Suchtmitteln blüht! Und die dafür verantwortlichen Geschäftemacher sind sogar, als privilegierte Todeskandidaten, im Vorteil, ob sie nun in Edelzellen, oder in Dunkelhaft gesteckt wurden. Gewalt und Missbrauch zeichnen sich deutlich ab!

Überstellte aus anderen Gefängnissen bekommen einen Kulturschock! Zwar haben sie ausdrücklich um die Überstellung gebeten, sie kommen jedoch trotzdem nicht damit zurecht, ihre, woanders gepflegten Bräuche, aufgeben zu sollen. Tumulte entstehen, weil sie gerade deshalb, ihr angestammtes Verhalten ritualisieren – in dem Irrglauben verhaftet, daß dies ihre Rettung vor dem drohenden Untergang sei. Dadurch fühlen sich die Alteinsitzenden betrogen und meutern mehr und mehr gegen die Staatsgewalt. Angesichts der überall, von sämtlichen Seiten aufkommenden Revolten, geraten die Geschichtsbücher in Bewegung, werden verfälscht und noch einmal verfälscht! So nach und nach, verlieren alle Beteiligten die Besinnung – wobei sie „heilsam“ vergessen, daß sie eigentlich, samt und sonders, zum Tode verurteilt sind!

©Alf Glocker

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