Spiegelverkehrt, irgendwie ...

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von Heide Nöchel (noé)

Irgendwas ist falsch. Spiegelverkehrt - oder so.
Als wenn ich gar nicht in dem Leben bin, das eigentlich für mich gedacht gewesen wäre. Genauer beschreiben könnte ich aber auch nicht, woran das wohl liegen mag. Fremd halt, irgendwie ...

Wenn ich die Treppe hochkomme, hat mein Inneres sich darauf eingestellt, gleich meine Wohnungstür aufzuschließen. Das sollte wohl auch so sein. Nur, dass ich mich dabei ertappe, wie ich den Kopf schüttele, als wolle ich etwas abstreifen, einen Schleier, ein Spinnennetz.
Ich wohne nämlich auf der rechten Seite vom Treppenaufgang, aber mein innerer Drall, meine innere Ausrichtung, meine Ortung geht nach links. Nicht ICH gehe nach links, auch nicht mein Körper, mein Inneres möchte gerne die Türe auf der linken Seite vom Treppenaufgang aufschließen. Da würde mein armer Nachbar aber schauen!

"Nein!", sage ich mit meiner inneren Stimme meinem inneren Streben - und schüttele dabei unterstreichend meinen äußeren Kopf, "Nach RECHTS, bitte!"
Ja, und dahin gehe ich dann auch, aber widerwillig. Weil es irgendwie "falsch" ist.

Ein bisschen Lokalkolorit:
Ich schreibe viel und korrigiere und ärgere mich mit meinem störrischen Laptop herum, den ich, in meinem unglaublich bequemen Ohrensessel sitzend, auf meinen hochgelegten Beinen halte. Da bin ich dann so versunken, dass ich die Zeit vergesse. Ganze Nächte haben mich schon überrascht damit, wie schnell sie so vorbeihuschen, ohne dass ich gemerkt hätte, wie es draußen dunkel und dann wieder hell wurde. Ab zehn Uhr abends fange ich erst richtig an zu leben.

Aber auch dabei wird man schon mal müde. Und mein Sessel ist so außerordentlich bequem, dass ich mich gelegentlich erstaunt umsehe - welche Uhrzeit haben wir jetzt? Ist es schon morgens oder noch abends? Welcher Wochentag ist überhaupt? Ach ja, gestern war Chor, dann ist heute Freitag. Denn ich habe mein Schläfchen gehalten. Powernapping. Oder auch mal drei bis vier Stunden. Das habe ich gelernt, als ich mit gebrochenen Rippen nicht liegen konnte. Da habe ich im Sitzen geschlafen. Im Ohrensessel.

So wie jetzt mit inzwischen geheilten Rippen. Den Laptop auf den hochgelegten Beinen. Was haben wir da? Oh, zwei Kommentare auf meine Gedichte - mal eben schnell ... und dann dies noch mal kurz ... und plötzlich bin ich ganz erstaunt, weil das herrische Postbotenklingeln mein Herz auf dem Boden zerschellen lässt vor lauter Schreck. Ich habe einfach WIEDER die Zeit vergessen. Und schon ist es später Vormittag.

Ja, und wenn ich dann in nächtlicher oder abendlicher oder auch morgendlicher Stille erwache und noch gar nicht so recht klar habe, wer, wie, wann, wo ich bin (das journalistische Warum wird mir sowieso immer ein Rätsel bleiben) -, dann merke ich wieder: Irgendwas ist hier doch verkehrt!

Denn, wie ich gerade so dabei bin, mich mit der rechten Gehirnhälfte zu sortieren, kommt von der linken (oder ist es umgekehrt?) der schüchterne Vorschlag, ich solle doch vielleicht ab und zu meinen Körper mal in die Waagerechte legen, nämlich ins Bett. Allerdings in diesem Noch-nicht-ganz-da-Zustand der Alphawellen will mich mein Gehirnhälftenimpuls auf meiner gedanklichen Weg-Planung durch eine Tür schicken, die erst noch durch die Wand gebrochen werden müsste - wenn man zuvor den Trumm von Kirschholz-Wohnzimmerschrank beiseite gerückt kriegt.

Selbstverständlich benutze ich die holzgerahmte Maueröffnung, die Maurer und Zimmermann extra zu diesem Zweck in meinem Zimmergeviert hinterlassen haben, aber dazu muss ich mein Inneres, meinen ersten Orientierungsimpuls, erst mit ganzer geballter Verstandeskraft umpolen. Und es ist nicht so, dass es mir darin willig folgt, mein Inneres.

Wo mein Bad ist, verortet es in solchen Erst-Momenten meine Küche. Nein, ich irre nicht orientierungslos in meinen eigenen vier, acht, sechzehn Wänden herum, ich WEISS genau, wo welcher Raum sich befindet und dass meine Loggia NICHT links ist, denn da müsste ich ja zum Wohnzimmerfenster raus. Wäre nicht so ratsam. Außerdem müsste ich dann ja erstmal alle Pflanzen wegräumen.

Aber mein Inneres "sieht" mich in anderen Räumlichkeiten, offensichtlich.
Und so frage ich mich ernsthaft - jetzt nach acht Jahren meines Hierseins - was es mir wohl noch nicht enthüllt hat bisher - oder welche meiner verschiedenen Leben es in solchen ertappten Momenten da wohl gerade durcheinanderbringt?

Bin ich ich? Oder bin ich auch - spiegelverkehrt? Irgendwie?

© noé/2015 Alle Rechte bei der Autorin

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