Heiraten, Kinder kriegen, glücklich werden, so stand es auf meinem Lebensplan. In DIESER Reihenfolge.
Die ersten beiden Punkte habe ich erreicht, naja, teilweise. Aus „Kinder“ ist eine Einzahl geworden und das hat mit Punkt drei zu tun, der nicht so wollte wie ich. Dabei war ich wild entschlossen, glücklich zu werden, ohne Ansehen der Person. Oder der Familie der Person. Und dass das dann nicht geklappt hat, hat auch nichts damit zu tun, wie es meiner Schwiegermutter (nicht) gelang, ihren Sohn zu erziehen. Oder etwa mit meiner Schwiegermutter selbst.
Obwohl mir spätestens bei meinem obligatorischen Begutachtungsbesuch in ihrem Haushalt klar werden musste, dass sie mich einfach nicht mochte. Eine Woche lag ich auf ihrem Objektträger – wenn ich nicht nächtens neben ihr im Ehebett lag. Währenddessen wurde mein still duldender Schwiegervater ins Wohnzimmer ausgelagert, wo er seine Bandscheiben auf dem Sofa malträtierte. Mein späterer Mann hatte sich eine Schlafstelle auf dem Boden im Zimmer seines jüngeren Bruders zu bauen. Bloß nichts riskieren!
Ja, und beim Kaffeetrinken an unserem Ankunftstag, saß ich verlegen grinsend auf dem Sofa neben meinem späteren Mann, und über Eck, auf meiner rechten Seite, die Herrin des Hauses.
Plötzlich sagte sie mit grimmiger Miene an mir vorbei zu meinem Mann auf meiner linken Seite: „Frag die mal, ob se noch ne Tasse Kaffee will.“ Während meine großen Augen von einer zum anderen wanderten, fragte mein späterer Mann mich von links tatsächlich: „Möchtest du noch eine Tasse Kaffee?“
Mein Lächeln war zwar etwas verblasst, aber eingeschüchtert nickte ich ihm zu und antwortete brav: „Ja, gerne.“ Mein Blick wanderte nach rechts in das verkniffene Frauengesicht, und während sie, ihn fixierend, gespannt der Worte meines Verlobten harrte, gab er ihr die knappe Auskunft: „Ja.“ Woraufhin sie sich erhob, ächzend und stöhnend, vom anderen Ende des Tisches die Kaffeekanne holte, die mein Verlobter locker mit einer ausgestreckten Hand hätte erreichen können, und mir die Kaffeetasse halb voll schenkte, die Kanne wieder abstellte, sich an ihren Patz zurückbegab und – wieder unter Stöhnen und Ächzen – sich in ihren Clubsessel zu meiner Rechten fallen ließ. Dann ging das Gespräch zwischen meinem Verlobten, seiner griesgrämig schauenden Mutter und dem ihr gegenüber sitzenden, unbewegten Vater munter fort. An mir vorbei, und das nicht nur räumlich, denn es wurde nur in einer Art persönlicher Kürzelsprache über wohl gemeinsame Bekannte gesprochen.
Das Stöhnen und Ächzen, das abschätzige Blicken der Mutter, die fast Verständnis heischende Stummheit des Vaters, die Unberührtheit meines Verlobten, setzten sich die ganze Woche über fort, auch, dass sie mich nie persönlich ansprach. Immer musste mein Zukünftiger – in meinem Beisein – seiner Mutter Auskunft über mich und meine möglichen Wünsche erteilen, egal, worum es ging. Da verstand ich - gefühlsmäßig jedenfalls -, was es heißt, eine „persona non grata“ zu sein.
Wäre es mir doch eine Lehre gewesen! Nach dem hermeneutischen Prinzip konnte jemand, der wohl so aufgewachsen war, sich wahrscheinlich gar nicht in eine andere Richtung entwickeln?
Wie mir meine Schwiegermutter bei diesem ersten Besuch mit stolzgeschwellter Brust ziemlich zu Anfang verkündete – mein unbewegter Verlobter hatte sie das wohl schon öfter erzählen hören – hatte ihr Sohn „schon als ganz kleiner Junge“ zu ihr gesagt: „Wenn ich groß bin, HEIRATE ich DICH!“ Für sie war es wohl mehr als eine entwicklungsbedingte, kindliche Äußerung.
Jedenfalls setzte sie ihrem Verhalten noch ein Krönchen auf, als sie mich in meinem „natürlichen Umfeld“ (warum nicht gleich „Habitat“?) und gleich noch meine Familie kennenlernen wollte. Dazu setzte sie sich in den Zug und fuhr an die Küste, wo sie, mangels Unterbringungsmöglichkeit in unserem Haushalt (Gott-sei-Dank), bei meiner unweit wohnenden Oma Thea einquartiert wurde und sich nur stundenweise bei uns aufhielt.
Was sie nicht wissen konnte (vielleicht auch nicht für möglich hielt?): Meine Oma und ich waren engstens befreundet. Und es war wohl der dritte Tag ihres Besuches, als meine Oma mich diskret beiseite nahm und mich fragte: „Hör mal, was ist DAS denn für eine komische Frau?“ „Wieso?“, fragte ich zurück. Wenn meine tolerante Oma mich so ansprach, musste schon etwas passiert sein. Und das erzählte sie mir mit ihrer Antwort: „Weißt du, sie kam heute an und sagte allen Ernstes ~Das müssen Sie aber zugeben, dass DAS keine Frau zum Heiraten ist!~ Und das sagt sie MIR!“ Die Empörung meiner Oma hat mir richtig gut getan, damals. Aber meine Lektion hatte ich immer noch nicht gelernt.
Ich heiratete meinen Verlobten, und als drei Jahre später unsere Tochter auf Sardinien zur Welt kam, luden wir meine Schwiegermutter ein, zur Taufe einzufliegen und die Taufpatin zu werden. Ihre durch meinen Mann übermittelte Antwort ließ mein stolzes Mutterherz gefrieren: „Ach, lass mal. Du weißt ja, dass ich nicht gern fliege und zum Zugfahren ist mir die Strecke zu lang.“
Im Gegensatz zu ihr, war meine Mutter berufstätig. Als wir nach dieser Abfuhr alternativ SIE einluden, war sie total begeistert, nahm sich sofort Urlaub und flog für zwei Wochen ein.
Da war es dann für meine Schwiegermutter zu spät.
Denn kaum hatte sie die ersten Fotos mit der Post bekommen (damals war das noch so), kam umgehend ein Anruf von ihr: „Ja, wenn ich GEWUSST hätte, dass die SO süß ist, wäre ich natürlich SOFORT gekommen!“
Keine Flugangst mehr?
Tja, wer nicht will, der hat schon!
© noé/2015 Alle Rechte bei der Autorin
Kommentare
Ich weiß nicht, ob sie wollte, aber gehabt hat sie wohl nie: Zufriedenheit.
Ja - mancher ist sich selbst nicht gut -
Und kocht in eig'ner Glut und Wut...
LG Axel
Es geht nichts über schöne Erinnerungen... :-))