Das Geschlecht ist sächlich, das schöne Geschlecht ist weiblich, der Mensch ist männlich, es sei denn, es handelt sich um eine Menschin*). Der ist in den Ohren der Die’s immer noch etwas Besseres. Das hat natürlich seine Gründe, die zu untersuchen, den Rahmen dieses Beitrags bei weitem sprengen würde, weshalb ich mich auf den unterschiedlichen Gebrauch und die daraus resultierende Wertung von Artikeln beschränken möchte, ohne jedoch auf die eine oder andere gedankliche Abschweifung zu verzichten.
Ins Auge fällt schon auf den ersten Blick die Reihenfolge dieser Artikel: der, die, das. Dem das werden zudem auch noch männliche besitzanzeigende Fürwörter zugeordnet, was zu wirklich unerhörten Satzkonstruktionen führt: Die Frau hat ihre Schuldigkeit getan, das Weib aber hat seine Schuldigkeit getan. Selbstverständlich die des Mannes. Das ist unmenschlich, wenn auch nicht unmännlich. Strenggenommen böte sich nach dem ABC immerhin die Reihenfolge das, der, die an. Dann stände zwar der nicht mehr am Anfang, aber die hätte nun tatsächlich die letzte Stelle inne, wäre sozusagen das Schlußlicht. Das ist natürlich auch keine Lösung zumal eine solche Regelung auf das diskriminierende besitzanzeigende Fürwortproblem keinerlei Einfluß hätte. Da drängt sich die Frage auf, wie es um die Frauenquote in der Kommission bestellt war, die sich einige Jahre lang um die Veränderung der Deutschen Rechtschreibung bemüht hat. Hier hätte gewiß eine Möglichkeit bestanden, einiges an Regeln zu feminisieren und so ein – wenn auch nur verbales – Gegengewicht zur umgangsförmlichen Realität zu schaffen. Denn daß die ‚gewachsenen‘ maskulinen Herrschaftsstrukturen nicht so einfach per Rechtschreibeverordnung aufzulösen sind, hat sich mittlerweile herumgesprochen, das walte Paulus. Immerhin war es anläßlich der Beratungen über die Inhalte des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland keineswegs selbstverständlich, den Bürgerinnen ein uneingeschränktes Wahlrecht zuzugestehen. Aber als vor einiger Zeit kluge Köpfe auf das häufig verwendete dreibuchstabige Wörtchen man stießen, da war es selbstverständlich, daß dem man flugs ein frau zugeordnet wurde. Hatte sich doch herausgestellt, daß das man eigentlich ein verkappter Mann war. Nun geistert das Wortehepaar man/frau (warum eigentlich nicht frau/man) durch die schriftlichen Ergüsse derjenigen, die sich dem Zeitgeist auch in Sachen Gleichberechtigung verpflichtet fühlen. Doch dies nur am Rande und als Hinweis darauf, was inzwischen alles erreicht wurde.
Zurück zum der, die, das: Daß die deutsche Sprache immerhin alle mehrheitsfähigen Substantive unter dem Dach des die vereint, kann für die sprachgebeutelte Weiblichkeit wohl auch kein Trost sein, denn hier soll doch ganz offensichtlich nur Mangel an Qualität mit Quantität aufgewogen werden.
Die Standesämter, zuständig für die Vergabe von Namen für neue Menschen, haken in aller Regel nach, wenn das Geschlecht des anzumeldenden Kindes aus dem seitens der Eltern gewählten Namen nicht eindeutig zu entnehmen ist. Das Neugeborene wird also auf Grund optisch nachweisbarer, primärer Geschlechtsmerkmale auf eine Geschlechterrolle festgelegt, die es im späteren Leben zu spielen hat. Entsprechend wird auch die Auswahl von Spielzeug und Freunden bzw. Freundinnen getroffen. Zur Frühkennzeichnung dienen seit langem die Farben Blau und Rosa, was notabene bei knabenhaften Mädchen und mädchenhaften Knaben das Beurteilen – wie schön, ein Söhnchen! Und ganz der stolze Papa! – Nein, wie süß! Ein Mädchen; na das ist aber fein... – erleichtert. Sollten sich im Laufe des Heranreifens Änderungen in der geschlechtlichen Selbsteinschätzung ergeben, zieht das Komplikationen nach sich, die zwar medizinisch, nicht aber gesellschaftlich zu meistern sind. Hier verhakt sich ein menschenverachtendes Einordnungsprinzip mit der stupiden Ansicht, daß nicht sein kann, was nicht sein darf. Ähnlich verhält es sich mit dem Dritten Geschlecht (vergl. Magnus Hirschfeld, Nervenarzt, 1868-1935). Ihm, dem Dritten Geschlecht, wird nicht einmal ein eigener Artikel zugestanden, und Verunglimpfungen übelster Art sind auch weiterhin an der Tagesordnung.
Neben den Grundbezeichnungen Mann und Frau bietet die deutsche Sprache noch eine ganze Reihe von Begriffen an, mit denen Menschen, deren Geschlechterrolle offensichtlich geklärt ist, bezeichnet werden können. Als Anrede haben sich inzwischen Herr und Frau durchgesetzt, während sich das alberne Fräulein, dem gelegentlich zu Recht aber ohne Erfolg ein ebenso albernes Herrlein zur Seite gestellt wurde, auf einem anwendungsmäßig absteigenden Ast befindet. Aber merken wir auf: Ehen werden – in der Regel – zwischen Mann und Frau geschlossen. Wenn sie dann verheiratet sind, hören sie, was die Anrede betrifft, auf Frau und Herr Maier, Meyer oder Meier, wobei dem Ehepaar die Wahl des Familiennamens (ihrer oder seiner oder beider) inzwischen freigestellt ist, was ein zivilrechtlicher Erfolg ist, der aber auf das Mit- oder Gegeneinander der Geschlechter im übrigen keinen Einfluß hat. Wird die Anrede in Ermangelung einer Kenntnis der jeweiligen Familiennamen sozusagen nackt angewendet, ergeben sich Änderungen, die beachtet werden müssen, wenn es nicht zu Fehlinterpretationen kommen soll. So wird dem Herr flugs ein mein vorangestellt, was bei Frau tunlichst zu vermeiden ist. Hier bietet sich dem Anredenden die aus dem Französischen entlehnte Vokabel Dame an, der dann auch problemlos ein meine vorangestellt werden kann. Daß Dame etwas mit dämlich zu tun hat, entbehrt nachweislich jeder Grundlage. Dämlich stammt vom niederdeutschen dämelen = nicht recht bei Sinnen sein ab, was sich bekanntlich auf alle Geschlechtsvarianten beziehen kann. Hingegen besteht zwischen Herr und herrlich eine enge Wortverwandtschaft, die sich auch in einigen hundert anderen Verbindungen nachweisen läßt und schließlich, vom mittlerweile verpönten Herrenmenschen einmal abgesehen, im Herrgott gipfelt. Spätestens hier hat alles Weibliche endgültig verloren. Wenn dem Schöpfer allen Lebens in dieser Form maskuline Züge verliehen werden, haben Frauen nur noch eine Chance: sie müssen Männer werden!
*) Menschin, die; -, -nen : weiblicher Mensch, Quellen: erstmals (nur singular) 1609 Schwäbisches Wörterbuch Bd. IV, Brockhaus Enzyklopädie 19. Auflage, Bd. 27.