Beruf oder Berufung –
er weiß es nicht,
sieht im Badspiegel sein Gesicht,
das blass und müde ihn angähnt –
er dreht das kalte Wasser auf,
im selben Moment stockt der Atem –
sprunghaft steigt der Blutkreislauf
doch ist Manns genug es zu ertragen,
freut sich über frisches Leben,
geht zielstrebig zur Küche hin,
macht die Kaffeemaschine an –
kräftige Aromen lassen ihn lächeln,
die noch schläfrige Sonne kriecht übers Land,
ein letzter Happen vom krossen Toast,
dann muss er los,
die Arbeit ruft, ein Vollzeitjob,
sein Steckenpferd und auch sein Joch –
er pflegt die Alten, Gebrochenen,
das hat er sich einst selbst versprochen,
so gut er kann, mit aller Kraft,
trotz allem Elend, er freundlich lacht,
zart die Leiber wäscht und cremt,
ob die mit Demenz oder gelähmt,
er mag sie, nennt sie alle beim Namen,
opfert sich auf mit Leidenschaft,
bis das Tagespensum vollends geschafft
und doch zerreißt es ihm das Herz,
die knappe Zeit, sie sitzt im Nacken,
er würde so gern mehr mit den Herrschaften machen,
doch ein Schwätzchen oder Trost,
bringt die Betreuung komplett aus dem Lot,
unmenschlich das alles, ein purer Wahn –
der lässt ihn an seine Grenzen kommen,
er will mehr tun und darf es nicht,
auch seine Psyche, längst mitgenommen –
ist einem Burnout ziemlich nah,
bei all dem was er leistet und sah,
kommt mit dem Pensum kaum noch klar,
zu Hause angekommen sitzt er stumm,
in seinem dämmernden Zimmer rum,
weint bitterlich und ist untröstlich,
zweifelt an dieser kalten Welt,
die kalkuliert ihre Runden bahnt,
er driftet langsam ab in den Wahn,
körperlich noch unversehrt,
die Seele hingegen sich streikend wehrt –
Berg und Tal rasant mit ihm fährt …
resigniert und ist am Ende –
glaubt längst nicht mehr an eine Wende.
Burnout
von Soléa P.
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