Bevor der Himalaya entstand

Bild zeigt Jürgen Wagner
von Jürgen Wagner

Millionen Jahre ist es her
So etwa 50 an der Zahl
Den Himalaya gab's noch nicht
Und in den Meeren schwamm kein Wal

Denn dieser lebte noch auf Land
Und ging wie alle gern zu Fuß
Vier Beine trugen ihn, vier Zeh‘n
Doch Wasser war für ihn ein Muss

Denn in der großen Hitze Indiens
Blieb er doch lieber an den Seen
War lang und oft und gern im Wasser
Und konnte gut darinnen geh’n

Ein Flusspferdchen, das wurd' es wohl
So stell‘ man sich dies Wesen vor
Es tauchte immer besser, länger
Kam nur zum Atmen noch empor

Aus seinen Beinen wurden Flossen
Es ging nicht mehr zurück ans Land
Es war zurückgekehrt ins Wasser
Ein starker Kreislauf hielt dem stand

Bis heute ist es dort geblieben
Erfreut damit die ganze Welt
Mit Klugheit, Liebe, frohen Sprüngen
Wie denn sein Leben ihm gefällt

Schon immer konnte es gut hören
Selbst unter Wasser war’s famos
Es fing selbst Lieder an zu singen
Auch für uns Menschen grandios

Gar hunderte von Kilometer
Sind diese immer noch zu hör’n
Die Männer suchen so die Frauen
Mit ihren Unterwasserchör’n

Die einstens lieben kleinen Pferdchen
Die wurden Riesen vieler Art
Geliebt, gefürchtet und bestaunt
Jedoch mit aller Kraft bejagt

Bis heute wandern sie durch Meere
Ja, tausende von Meilen weit
Oh bleibt uns, all ihr sanften Riesen
Ihr Lehrer der Gelassenheit

Vor 50 Millionen Jahren gab es im heutigen Kaschmir ein knapp 30 cm hohes Huftier: den Indohyus. Es lebte in einem tropischen Klima im flachen Uferbereich von Seen. Es hat sich über eine lange Zeit mehr und mehr dem Leben im Wasser angepasst. Neben den Walen haben einzig die Seekühe die vollständige Rückkehr ins Wasser vollzogen, während alle anderen Säugetiere, die viel im Wasser leben (Flusspferde, Robben, Biber, Ottern, …), sich die Option Land erhalten haben. Von den heute lebenden Säugetieren ist das hasengroße afrikanische Hirschferkel (engl.: chevrotain) dem Indohyus am nächsten, das sich im Wasser genauso geschmeidig bewegt wie auf dem Land und von der Größe her vergleichbar ist.

Veröffentlicht / Quelle: 
Aus 'Die Würde der Tiere - Gedichte und Texte', Berlin 2015
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