DIE DUFTENDE ERBSCHAFT

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oder: Raum ist in der kleinsten Hütte

Herr Weiß bekam zum Frühstück heut' ein Schreiben,
dass Onkel Ludwig auf dem Land verstorben war;
dort stand, es sollte ihm nun doch etwas verbleiben,
von dem, was durch den Onkel nicht verdorben war.

Herr Weiß fuhr optimistisch zum Termine,
Frau Weiß blieb ihrerseits ganz brav daheim,
sie macht' zum bösen Spiel vorerst noch gute Miene,
doch sich auf alles dieses keinen rechten Reim.

Zu schön wär's ja, wenn heute abend spät ihr Gatte
nach Hause kommt und alle Taschen voller Geld,
und dass der Onkel seinerseits noch soviel hatte,
erhoffte sie um reichlich alles in der Welt.

Herr Karl-Heinz Weiß kam dann auch abends spät nach Hause,
doch schwankte er hinein nicht unerheblich schwer,
Frau Hilde Weiß schob ihn sogleich unter die Brause,
dass wieder frisch er werd' und etwas nüchterner.

Er hatte nämlich ganz entsetzlich stark gestunken
nach Bier und Schnaps und starkem Tabaknikotin,
erschwerend kam hinzu, dass Karl-Heinz, dem Halunken,
ein rechter Ziegenbockgestank wohl ward verliehn.

Frau Hilde Weiß, als Frau die stets gepflegte, feine,
erschrak, als ihr Gemahl zur Wohnungstüre schritt,
durch diese dann an einer langen Hundeleine
mit rotem Halsbande ein Vierbein brachte mit.

Und auch tatsächlich, ihre Nase sich nicht irrte,
denn ihr Geruchssinn war schon immer ausgeprägt:
es war kein Hund, den er ins gute Zimmer führte,
das Band war einer alten Ziege angelegt.

Er sprach: "Das ist mein Teil von Onkel Ludwigs Erbe,
es war des Onkels eignes hochgeschätztes Stück.
Er sagte damals schon zu mir: 'Wenn ich mal sterbe,
hast du in meiner Ziege Emma größtes Glück!

Sie ist so lieb und treu und einfach gut zu halten,
sie gibt die allerbeste Milch hier weit und breit!'
Jetzt ist er tot, und ich bekam von meinem alten
und guten Onkel dieses Tier in Seligkeit."

Frau Weiß entsetzte sich: "Du bist total von Sinnen,
wir wohnen hier im Zentrum mitten in der Stadt!
Wohin denn noch mit diesem Ziegentier herinnen,
wo man doch selbst schon kaum noch richtig Platz hier hat?

Herr Weiß weiß keine Antwort daraufhin zu geben.
Doch plötzlich kommt sie ihm, die rettende Idee:
"Ach Hilde", sagt er, "lass sie einfach mit uns leben,
ein bißchen Platz wär noch im Schlafzimmer für sie."

"Im Schlafzimmer! Bist du bei Trost, um Himmelswillen?!!
Du bist des Wahnsinns, Karl-Heinz, mir wird Angst und Bank,
dein Hirn entgleist dir ganz aus Weiche, Spur und Rillen,
denkst du nicht an den furchtbar grässlichen Gestank???"

"Ach lieber Schatz", lallt er, "das wird man dann schon sehen,
nu wart' mal ab und bleib ganz ruhig, Hildchen Weiß,
was den Gestank betrifft, das wird schon bestens gehen,
daran gewöhnt sich schon die gute alte Geiß!"

vcj

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