Tochter des Abends, das bist du,
oh sage mir, was siehst du nun?
Siehst du von deiner Himmelsburg
mehr von dem Glück oder der Sorg'?
Vielleicht den Segler auf dem Meer
bei seinem Kampf im Wellenheer,
wie er in Furcht nach oben blickt,
ob man von dort ihm Hilfe schickt.
Vielleicht im gut versteckten Tal
sucht jetzt ein Mensch in seiner Qual,
und mit vor Angst gebrochner Brust
in deinem milden Auge Trost.
Vielleicht ein treues Mädchen blickt
nun hoch zu dir und hofft verzückt,
dass auch ihr Liebster zu dir schaut
und so sich treffen Mann und Braut.
Siehst du des Seglers fragend Blick,
hilf ihm zum rechten Kurs zurück!
Siehst du die Sorge, die ihn schreckt,
so halt nicht deinen Trost versteckt!
Und siehst du sie, die Liebste mein,
so schreibe auf des Strahles Schein
"Ich eil, dass ich bald bei dir bin."
und schicke ihn schnell zu ihr hin.
© Willi Grigor, 2016, Übersetzung von "Till aftonstjernan" des schwedischen Dichters Johan Ludvig Runeberg (1804-1877)
Drei weitere Gedichtübertragungen:
literatpro.de/gedicht/150817/die-milchstrasse
literatpro.de/gedicht/090218/ein-hohelied
literatpro.de/gedicht/030317/um-den-bettler-von-luossa
Übertragen von Gedichten,
Erzählungen, Geschichten,
dem Übersetzer es erlauben,
Gedankensplitter alter Meister
aufzufinden, aufzuklauben,
zu erfahren, was sie dachten,
ob sie weinten oder lachten.
WG
Kommentare
Hallo lieber Willi, es ist sicherlich nicht einfach, zu übersetzen und dann in der Übersetzung wieder Reime zu bilden. Da ich jener Originalsprache nicht mächtig bin, kann ich nicht beurteilen, wie weit ab oder nah dran du am Text des Originals bist- aber das was dabei herausgekommen ist, finde ich wunderschön!
lG
Anouk
Das ist schon eine Kunst für sich -
Und die gelingt Dir meisterlich!
LG Axel
Liebe Anouk, lieber Axel,
ein Gedicht zu übersetzen handelt ja nicht allein um das Übersetzen eines Textes, sondern um das Übertragen eines Gedichts in eine andere Sprache, wobei Rhytmus, Metrum, Silbenanzahl - der "Geist" des Originals so getreu wie möglich wiedergegeben werden soll. Manchmal ist das unmöglich. Dann gibt man auf, sucht sich ein neues und beginnt von vorne.
Beschränkt man sich darauf, dem Leser eine "gefällige" Version zu servieren, ist es keine Gedichtübersetzung/übertragung, sondern eine Nachdichtung, was angegeben werden sollte.
Wie Axel schreibt: "Das ist schon eine Kunst für sich.."
Sie ist schwieriger und zeitaufwändiger als seine eigenen Gedanken in ein Gedicht umzuwandeln. Aber gerade darin liegt der Reiz.
Ich danke Euch beiden für die Wortmeldung.
Viele Grüße
Willi
Lieber Willi, ich glaube, Johan Ludvig Runeberg wäre mehr als nur zufrieden mit der wirklich sehr schönen Übersetzung seines Gedichts.
Danke dafür und liebe Grüße,
Annelie
Annelie, Dein Stil kommt an,
Du feuerst an, machst Mut.
Man Deinen Satz so deuten kann:
"Was froh du machst, wird gut."
Danke für Deine Großzügigkeit, nicht nur mir gegenüber.
Herzliche Grüße
Willi
Hut ab, lieber Willi, und eine ganz tiefe Verbeugung. Ich stelle es mir sehr schwierig vor, am Original zu bleiben, ohne eigene Gedanken und Gefühle ins fremde Werk fließen zu lassen.
Liebe Grüße, Susanna
Liebe Susanna,
danke für Deine freundlichen Zeilen.
Alles ist im Grunde schwierig!
Spürt man Freude bei der Arbeit,
macht man weiter, wird fast gierig,
ist das Puzzle nicht das Schwere,
fürchtet man nicht fremde Worte,
um zu bauen damit Sätze
von der leichten, guten Sorte.
Angst macht nur, wenn SIE mal zeigt sich
im Gehirn - die blanke Leere.
Herzliche Grüße
Willi