Oft fühle ich mich unbehaust, fremd in der eigenen Haut, bin ich das wirklich, bist Du es nicht auch oft, vielleicht früh morgens, wenn die anderen noch schlafen? Diese innere Unbehaustheit meine ich, sie ist unabhängig von der äußeren und nicht weniger spürbar,
selbst im überfüllten weihnachtlich übergeschmückten Einkaufszentrum mit seiner palastähnlichen Eingangshalle zwischen den hastenden selten fröhlichen Menschen mit ihren vollen Einkaufstaschen, darin die auf den letzten Drücker gekauften Geschenke für ihre Lieben, kling’, Glöckchen, klingelingeling, kann es geschehen, dass ich mich ganz und gar unbehaust fühle,
dabei wohne ich doch, in meinem Körper, auch in einem Haus, mit mir wohnen noch andere darin, sie behaupten, zu mir zu gehören, ich meine sie zu lieben, sie wissen nicht, dass ich mich manchmal verloren fühle mitten zwischen ihnen, unbehaust,
und auch Du wohnst, wir sind geschützt vor Nässe und Frost und Sonne, haben ein Dach über dem Kopf, unsere Haustüren haben Fünffachverriegelung und die Kellerfenster sind vergittert, und doch wissen wir beide, wie unsicher und vergänglich unsere Behausungen aus Stein und Holz, besonders aber unsere Körper sind, und wie kurzfristig wir sie bewohnen, denn wir sind Gäste in dieser Welt.
Heute Morgen hat sie mich wieder besucht, die Streunerin mit dem pechschwarzen Fell, meine wahrhaft unabhängige unbehauste Freundin hat sich die Nase am Glas der geschlossenen Balkontüre platt gedrückt; sie überlebt auf den Straßen der Stadt nur, weil sie weiß, wo es Futter und manchmal ein Plätzchen zum Übernachten gibt, wenn es draußen selbst für sie zu garstig ist.
Sie hat etwas Urkätzisches an sich, ich spreche sie deshalb so an, Katze, wie geht es dir, ich freue mich, dass Du mir wieder einmal die Ehre gibst, sie antwortet mir mit einem Maunzen, das mir wie Zustimmung erscheint. Katzen beeindrucken mich wegen ihrer Unabhängigkeit, sie dienen niemandem, bekommen trotzdem oder grade deshalb von uns, was sie brauchen.
Meine Katzenfreundin hat eine uralte Wanderseele, ich fühle mich mit ihr verwandt, wir sind zwei Unbehauste oder drei, wenn ich Dich mitrechne, weil wir vertraut miteinander sind. Ich streue ihr Futter aufs Tellerchen, sie frisst es hastig und verschwindet, in meine Wohnung schleicht sie sich nie.
Du weißt, wovon ich rede, zu Dir kommt sie auch, lässt sich füttern und weg ist sie. Wir sind wie unsere namenlose Katze in der Seele Unbehauste, bewohnen unsere Häuser nur vorübergehend. Und es ist gut zu wissen: Du, ich und auch sie, wir werden alle bald weiterziehen.