Ghetto-Rose; Czernowitz (1941)

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Mein Atem ist seiner, heißt: ganz DU ...
auch dann noch, wenn ich allein
meine Finger in Czernowitz' alte Geschwüre
und in eure Erinnerungswunden lege,
die im Leben nicht vergessen werden wollten,
noch heilen konnten, meine Ghetto-Rose ...

in dieser versunkenen Welt, darin man sich
mehr als sechs Sprachen bediente, bin ich
in Gedanken bei euch, und in UNSER beider Atem
dringt eine Stimme aus dem Zentrum für Literatur,
die ich kenne und die mich erschaudern lässt.

Satanisch ins Mittagslicht geschürft, erblicke ich ...
die deutsche SS, wie sie einmarschiert
ins einstige Paradies Czernowitz, gut neun Jahre
vor meiner Geburt, Rose (so nah war ich dran),
Menschen, Sprachen, Bücher zunichte macht,
die geistige Blüte und Kultur unter den
toleranten Habsburgern ausradiert –
wie Chagall einen überflüssigen Schnörkel
am flüchtig skizzierten Chanukka-Leuchter.

In der „Blauen Synagoge“ trinken wir ...
die „schwarze Milch der Frühe“ und die jenes
Abends, Rose, während SEIN Atem nach wie
vor sich mit meinem mischt und ich nach Worten ringe,
nach einem Laut, der dieser Stätte gerecht wird,
presse aufs Denkmal an der belebten Straße
meine tränennassen, scheuen Lippen, und du fragst:
Weshalb hier, ausgerechnet an dieser lauten Straße?
(Woher denn – be'wakaschA – soll ich das wissen, Rose?)
Und bitte zu guter Letzt dich und Paul um Vergebung –
für alles und diese ungelenken Verse auf GermanItt.

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