Prinzessinnen wählen ein Kuscheleinhorn

Bild zeigt Anouk Ferez
von Anouk Ferez

Prinzessinnen wählen ein Kuscheleinhorn.
Du aber liebst deine Fledermaus
aus abgeschabtem Plüsch
– völlig zerliebt.
„Aber Süße“, sage ich,
„meinst du nicht…“
„Nenn mich Zombi-Engel“, grinst du
und schenkst mir ein lückiges Lächeln.

Der Name „Pferdeschwanz“ macht deinem Zopf
wirklich alle Ehre…
–sei es auch der Schweif
einer windzerzausten Mähre.
„Trag deine Locken doch mal offen!“
Ich mache glanzvolle Pläne,
ausgerüstet mit Cocosöl und Bürste.
Du sagst: „ Ich mag's lieber zottelig“
und schüttelst wild deinen Kopf,
stolz und frei wie ein Löwe.
Mein Dschungelmädchen!

Alle deine Freundinnen
schwelgen stumm in Büchern voller Wunder:
Der Einband zart, aus Regenbogen,
versetzt mit lauter Silberglitzer.
Ich würd dir nur zu gerne
auch so etwas Schönes schenken.
„Geh mir weg mit ‚magisch‘, Mama.
Die wahre Welt strotzt vor Mysterien!“,
sagst du streng und kratzt dich am Ohr.
Und während jene Madel über Küken,
Welpen und Delfine forschen,
widmest du dein Schulprojekt
fleischfressenden Bakterien.

Du stehst völlig im Kontrast zu der
kleinen süßen Märchen-Maid,
die ich hoffend mir erträumte,
als du noch in meinem Leib gebettet lagst.
Das Bild der zarten Fee in rosa
war scheinbar pure Illusion.
„Zum Glück!“, sag ich und schnapp
mir lachend meine wilde Hilde:
Nie hätt ich gedacht, dass die Natur
so etwas Wunderbares in mir schaffen kann:
D I C H !

Du zeigst mir den längst verdrängten
Teil meines tiefen Selbst.
Ich danke dir für diesen Spiegel,
mein liebes, ungezähmtes Kind.
Wie stolz und dankerfüllt bin ich,
den Weg deines Wachsens und Werdens
mit staunendem Herzen begleiten zu dürfen.

für meine kleine Tochter zu ihrem Grundschul-Abschluss

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