Als ich ein Kind war, hörte ich sagen, denk’ nie zuerst an dich selbst,
nicht so viel fragen, dein Nächster hat Vorrang, das sagt ein Gebot,
glaube es mir, nimm dich nicht wichtig, das rate ich dir, nur so ist’s richtig.
Als ich älter wurde und schlauer, studierte ich das Gebot genauer,
auch den zweiten Teil. Und ich las, wie dich selbst sollst du ihn ehren,
den Nächsten, und lieben. Wie wahr. Und bald war mir klar, der zweite
Teil des Gebots ist wichtig, so ließ ich mich gerne belehren.
Wie dich selbst ist genauso richtig. Und grundsätzlich christlich.
Ich lernte, mich anzunehmen, mich selber zu respektieren,
meine Stärken zu mögen, gegen Sinnloses aufzubegehren,
Schwächen zu akzeptieren, Dinge beim Namen zu nennen.
Wurde mir meiner selbst bewusst. Lernte mich kennen.
Vergaß, mich zu oft zu schämen. Ersetzte Zweifel durch Lebenslust.
Begann mich zu mögen, genau wie ich bin. Und erkannte, nur so kann ich leben.
Nur so hat mein Dasein Sinn. Nur so bin ich fähig, zu geben.
Kommentare
Schön und wahr (dieses Gedicht): ist noch immer das Beste.
Und jetzt nur zum Spaß, falls du den Spruch von Wilhelm Busch noch nicht kennst, der einen Bruchteil deiner Gedanken wie folgt ausgedrückt hat:
"Früher, da ich unerfahren und bescheidener war als heute,
hatten meine höchste Achtung: andere Leute.
Später traf ich auf der Weide
außer mir noch andere Kälber;
Und nun schätz ich sozusagen
erst mich selber."
LG Annelie
Die Generation über mir hat das sinnvollste aller christlichen Gebote einseitg ausgelegt und weiter gegeben und den zweiten, genau so wichtigen Teil unter den Tisch fallen lassen. Ich musste viel dazu lernen. Bin aber auf einem guten Weg, sonst könnte ich es nicht in Worte fassen. Überhaupt der Busch - der ist doch heute noch genau so aktuell. Danke dir für deine Zuschrift.
LG marie
Hier sehe ich meine Vergangenheit wunderbar beschrieben. Auch ich habe diese Wanderschaft mit Blasen an den Füßen zurücklegen müssen. Das wär\ist der Weg ins Licht und zu mir. Danke für das starke Gedicht.
LG Monika
Danke für deine Worte, Monika. Wenn ich mir meine Mitmenschen, auch jüngere, so betrachte, wenn ich ihnen zuhöre, dann denke ich, dieses Gebot ist in falsch ausgelegter Version immer noch gut unterwegs.
LG marie
Das ist ein Triit ins Wespennest, das Gedicht, trifft alles auch auf mich zu, habe mich auch bemüht, werde aber immer wieder rückfällig. Wichtiges Thema, gut formuliert.
Grüße D.R.
Freut mich, wenn's ein Anstoß für dich ist.
Grüße zurück marie