schlaf nun selig und süß

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von Marie Mehrfeld

als die Sonne hinter dem Wald versunken war, näherte sich der Abend
zärtlich wispernd, einfach so, ich lauschte dem Kind auf dem Schoß, wie
es mir wortlos mit den zappelnden Fingern und leuchtenden Augen vom

Leben erzählte, und sang ihm sanft von den Blümelein, wie sie schlafen,
auch vom abgebrannten Pommerland, dann tröpfelte der Wasserhahn
wieder, das Kind schlief ein in meinem Arm, ich schloss müde die Augen,

und Waggon um Waggon ratterten mir vorgestrige Züge über die Stirne,
fensterlos und mit versiegelten Türen, ich hörte Eingeschlossene rufen,
ich sah die Feuer lodern über der Stadt und fühlte einsame Angst, meine

Gedanken aber trieben rote Blüten, ließen ihre hoffenden grünen Blätter
sich ranken um den Bahndamm mit seinen rostigen Gleisen, sie tranken
die Tränen meiner Trümmergefühle, bis sie endlich aufhörten zu fließen,

und als die erstarrten Zweige des Wacholderstrauchs vor meinem Fenster
sich von ihrem Schrecken erholt hatten, wurden meine schweren Schritte
leicht, schneeweiße Apfelbaumblüten fielen aus schwarzen Wolkenwänden

und ließen alle meine Toten lächeln, einfach so, ich legte summend meine
Finger auf die Lippen des Kindes im Schlaf, guten Abend, gute Nacht, sei
von Englein bewacht, schlaf nun selig und süß, schau im Traum s’Paradies

Der letzte Vers bezieht sich auf das Wiegenlied „Guten Abend, gut’ Nacht“, es ist ein seit Beginn des 19. Jahrhunderts bekanntes Gedicht deutschsprachiger Volkspoesie und wurde durch die Vertonung von Johannes Brahms zu einem der bekanntesten Schlaflieder überhaupt.

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