Wie sehr doch Kindheit prägen kann!
Bei uns gab’s keinen Weihnachtsmann,
am 6. kam der Nikolaus,
und der sah wie ein Bischof aus.
Fast alle in dem Kindergarten
konnten ihn wohl kaum erwarten,
wie ebenso den Knecht Ruprecht –
nur einer war vor Angst fast schlecht …
Das goldne Buch trug er bei sich –
das ängstigte mich fürchterlich,
denn darin stand haarklein beschrieben,
was ich an Missetat getrieben.
Und wenn man war, wie ich – schon klein! –
dann konnte das nicht wenig sein!
Erst, wenn er uns wieder verließ,
fühlte ich mich weniger mies …
Danach schier endlos Wartezeit …
Nach Ewigkeiten war‘s soweit:
Ein heller Klingelton, ganz zart,
verkündete auf stille Art:
Das Christkindlein verließ das Haus!
Wir starrten durch die Scheiben raus
und wünschten uns (das wäre schön!),
es einmal nur fliegen zu sehn!
Dann öffnete sich diese Tür –
und im Türrahmen standen wir,
trauten uns nur, ihn anzuschaun:
So wunderhell leuchtete der Baum!,
denn alles Licht sonst war gelöscht,
auf dass man ihn bestaunen möcht‘.
Er war so reich und bunt geschmückt,
wir Kinder waren voll entzückt!
Und haben rätselnd nachgedacht:
„Wie hat das Christkind ihn gebracht?
Die Fenster sind doch nicht so groß?
Wie schafft ein Christkindlein das bloß?
Haben die Kerzen schon gebrannt?“
Wir standen da und warn gebannt.
Doch jetzt begann die Singerei.
Da warn wir nur bedingt dabei,
die Spannung wuchs, kann man sich denken,
wir wollten doch zu den Geschenken,
die sich unter dem Baume stauten!,
dieweil die Großen Kekse kauten.
Auf bunten Tellern, reich gedeckt,
da fand sich alles, was gut schmeckt:
Keks, Mandarinen, Schokolade,
Nüsse, Äpfel (mal ohne Made),
Marzipan, Printen, Datteln, Feigen …
naja, der ganze leckere Reigen.
Das würde locker TAGE reichen!
Der Baum machte geheime Zeichen,
weil zwischen nicht essbaren Dingen
verlockend leckere Kringel hingen,
die boten sich regelrecht an …
wenn’s andere ans Limit kam.
Der Fernseher blieb ohne Bild,
bis in die Nacht wurde gespielt.
Die Großen tranken schon mal Wein
und gossen uns Apfelsaft ein.
Zur Messe ging man VOR dem Fest,
weil das nachher schön feiern lässt,
man muss nicht in die Kälte raus,
am nächsten Morgen schläft man aus ...
Dort, in der Krippe, lag das Kind,
fast lebensgroß, das Weihnacht bringt.
Zu seinen Füßen kniet im Moos,
mit einem Spendentopf im Schoß,
ein Kind mit bittend offenen Händen,
das Köpfchen nickt bei kleinen Spenden,
hat braune Farbe im Gesicht
(„ein Negerkind“ sagt man ja nicht).
Sicher kann ähnliche Geschichten
jeder in etwa so berichten.
Und selbst, wenn es leicht anders war:
Die Weihnachtszeit war wunderbar!
© noé/2017
Kommentare
Sehr gut gefällt mir dieser Blick!
Denn in ihm glüht ein Kinderglück ...
(Laut Krause werden die Bäume von der "Weihnachtsputzfrau" gebracht -
Worüber wohl laut das Christkind lacht ...)
LG Axel
Wie süß die kleine noé und dazu das schöne Gedicht!