Die Nacht schwebt in den Abenddunst,
sinkt mählich leise nieder.
Der Mond, abseits der Sternengunst,
kriecht in das Wolkenmieder.
Ich finde nirgendwo ein Licht,
weder am Himmel noch auf Erden,
nur jenes kühle, das aus Sternen bricht.
Der Mars allein führt diese kalte Schicht -
bis neuer Tag will werden.
Ist das der zarte Stern der Liebe?
Der Stern der Träumer und der Liebenden?
O nein! - Von diesem nächt'gen Zeltgetriebe,
schimmert die Rüstung eines Siegenden.
Und ernste, seltsame Gedanken liegen
in meiner Seel' - beim Anblick von so fern:
Ich seh' im Abendwind sich leise wiegen
den Wegweiser zum Roten Stern.
O starker Stern - auch du wirst mal vergehn,
magst lächeln über meinen kleinen Schmerz,
schickst Zeichen, lässt ein laues Lüftchen wehn,
und still und friedlich wird mein Herz.
Von allen Lichtern auf der weiten Welt
trag ich in meiner scheuen Brust allein
das bitterkalte Licht der Sterne.
Dem Mars-Planeten ruf ich zu von ferne:
Beschütz die Nacht; du sollst ihr Hüter sein!
Der Stern des unbesiegbar heiteren Bestrebens
geht ruhig und entschlossen auf in meiner Brust:
Vertrau auch du dem guten Stern des Lebens:
Sei friedlich, selbstbeherrscht und selbstbewusst!
Und ihr, die diesen kurzen Psalm gelesen,
bleibt frohen Mutes, ruhig und entschlossen:
Umsonst ist niemand auf der Welt, Genossen*,
wenngleich sich Hoffnungen in Luft auflösen.
O fürchte dich nicht vor der rauen Welt -
nicht eher jedenfalls, bevor du wirklich weißt,
wie schön es sein kann unterm Sternenzelt
und was zu leiden und auch stark zu bleiben heißt!
*Das Wort 'Genossen' ist hier keine politische Aussage!!!
Dieses Gedicht, das ich aus dem Englischen übersetzt habe, heißt: "The Light of Stars" (Das Licht der Sterne). Ich habe gestern an die acht Stunden gebraucht, um es auch gereimt rüberzubringen und gleichzeitig den Aussagen Longfellows gerecht zu werden. Es hat so lange gedauert, weil es immer dauert, bis ich mit Formulierungen - endlich - zufrieden bin. Das Gedicht ist im Inhalt authentisch - und auch sonst habe ich versucht, möglichst wortgetreu zu bleiben - in unserer Sprache.
Henry Wadsworth Longfellow, geboren am 27. Februar 1807 in Portland, Massachusetts, heute Maine; gestorben am 24. März 1882 in Cambridge, Massachusetts, war ein amerikanischer Schriftsteller, Lyriker, Übersetzer und Dramatiker.
Kommentare
Nicht nur der Text sehr überzeugt:
Auch die Collage - gern beäugt!
LG Axel
Dank, Axel, vielmals; nicht allein dem Mars,
wie ich soeben neu entdeckt,
hat lyrisch sich Longfellow hingegeben,
auch für die Sklaven hatte er ein Herz -
und ließ es - lyrisch - beben.
LG Annelie
Deine Arbeit hat sich gelohnt, liebe Annelie. Das Gedicht macht Mut und Du hast es mir und anderen zugänglich gemacht. Dafür danke ich Dir.
LG Monika
Gern geschehen, liebe Monika. Freut mich, dass dir das Gedicht gefallen hat. Die Arbeit daran hat mir aber auch viel Spaß gebracht.
Nur: der Tag ist dann um und man hat keine Lust mehr zum täglichen Gesundheitsspaziergang.
LG Annelie
Schade. Doch morgen ist ein neuer Tag, eine neue Chance, die Lunge zu lüften.
Noch einen geruhsamen Abend wünscht Dir mit lieben Grüßen Monika
Das Licht Deines Gedichts leuchtet bis zu mir…
Liebe Grüße
Soléa
Danke, Soléa. Vermutlich verfügst du über eine ganz besondere Anziehungskraft, was insbesondere den Mars betrifft. Da hast du einen großen Vorteil, sollte es auf der Erde nicht mehr klappen mit dem Leben der Menschheit.
Liebe Grüße
Annelie
Longfellow so fließend zu übersetzen -
ist eine Kunst für sich. Bin begeistert.
LG Marie
Hallo Marie, danke für dein Kompliment. Ja, jetzt liest es sich fließend ... jetzt! Aber du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Sisiphos-Arbeit es war - man muss ja auch verstehen, wie er was gemeint hat und nicht einfach nur irgendetwas - womöglich Blödsinn - schreiben. Deshalb habe ich viele Wörter und Redewendungen, obwohl ich sie längst kannte, noch einmal auf Herz und Nieren geprüft - und dann noch der Reim ... trotz alledem hat es großen Spaß gebracht.
Liebe Grüße
Annelie
Danke für dein Lob, (....?) Mr Waldeck. Ich bin momentan im Web-Menü und komme leider nicht auf deinen Vornamen. Deshalb die förmliche Anrede.
Liebe Grüße
Annelie
Alle Achtung, liebe Annelie!
Das ist schon große Klasse!!!
Und seine eigene Art macht es nicht einfach.
Liebe Grüße Lisi
Danke, liebe Lisi,
man benötigt Sitzfleisch, man darf nicht den Mut verlieren, falls die Übersetzung nicht gleich 'funktioniert', weil da irgendein winziges Detail ist, das du nicht verstehst, ergo auch nicht übersetzen kannst, wenn du nicht lügen willst. Ich übersetze dann weiter und komme immer wieder auf dieses Detail zurück. Und meistens am Schluss weiß ich dann, wie es gemeint ist, weil sich eins ins andere fügt.
Liebe Grüße
Annelie