Von dem Mond, der nur halb

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von Marie Mehrfeld

Wieder ist’s weit nach Mitternacht, mein
Tagwerk habe ich endlich vollbracht,
krieche sinnierend unters Plumeau und
frage mich zweifelnd, bin ich nun froh?

Denke an die vergangenen Stunden –
was habe ich heute getan und gedacht?
Kam ich gelassen über die Runden?
Bin ich beruhigt für den Rest der Nacht?

Konnte den Haustürschlüssel nicht finden.
Musste mit Hausarbeiten mich schinden.
Stunden lang hab ich am Laptop gesessen
und den Geburtstag von Rita vergessen.

Habe zu lang in die Röhre geglotzt
wieder einmal den Jan angemotzt.
Habe mich leider zu wenig bewegt
und über Sinnloses aufgeregt ...

Dabei brennt die Welt. Wohin wir auch schalten –
Gewalt, Not und Terror. Kaum auszuhalten.

Inzwischen ist es zehn nach zwei.
Von Schlaf keine Rede, die Nacht bald vorbei.
Die Gedanken drehen sich weiter im Kreise.
Werde nicht still auf diese Weise.

Mit dem Frieden muss ich bei mir beginnen.
Vielleicht öfter mir wieder das Lied vorsingen von
dem Mond, der nur halb, wenn der Abendhauch weht.
Von dem Nebel, der über den Wiesen steht.
Von dem Nachbarn, dem kranken, dem alten Jammer,
den wir verschlafen in stiller Kammer.

Ich lösche das Licht. Mach die Augen zu.
Lasse los. Komme endlich zur Ruh.

Das Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“, auf das ich mich beziehe, ist für mich das Lied aller Lieder und hat mich durch mein Leben begleitet. Jeder kennt es, bei fast jedem bringt es eine Saite zum Schwingen. Der weise Text von Matthias Claudius (1740 - 1815) gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Werken der deutschen Literatur. Der Komponist Johann Abraham Peter Schulz (1747 - 1800) hat es kongenial vertont.

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