Shakespeare's Sonett 18 in meiner Übersetzung

Bild von Werner Krotz
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Was ist ein Sommertag schon gegen dich?
Du hast mehr Liebreiz und mehr Sanftheit auch.
Im Sommer ist's oft gar nicht sommerlich,
und früh im Herbst ist seine Kraft verbraucht.

Bald brennt die Sonne viel zu heiß herab,
bald ist sie hinter trübem Dunst versteckt;
und jede Schönheit muss einmal ins Grab,
wenn die Natur der Dinge Lauf vollstreckt.

Doch dein kompakter Sommer wird nicht geh'n,
und deine Schönheit bleibt dir immerdar;
nie wirst du Frau im Todesschatten steh'n,
denn dies Sonett stellt deine Wunder klar:

Solang die Erde Menschen benedeit,
trägt dies Gedicht dein Wesen durch die Zeit.

Dieses Gedicht, das mit den Worten "Shall I compare thee to a summer's day?" beginnt, war immer mein Lieblingssonett.
Alle Übersetzungen, die ich kenne, haben in vielen Zeilen eine Silbe zu viel. Z.B.: "Soll ich Dich einem Sommertag vergleichen?"
Im Jahr 2002 habe ich mir gedacht: Es muss doch möglich sein, eine silbengenaue Übersetzung zu machen!
Und es war mir möglich. Das Wort "Frau", das ich verwende, kommt übrigens im Original nicht vor.

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