Könnt ich mich wandeln wie das weite Meer,
Dann wählte ich die sanfte Dünung: Wellen ...
Orbital bewegt, dem Windgebiet der See entkommen,
Darin der alte Mond sich einst hat freigeschwommen
Und in der Morgenfrühe seine müden Krateraugen kühlt.
Könnt ich mich wandeln wie ein Schiff, das elbwärts fährt,
Wählt ich am Kai den Dampfer, der Bananen bringt aus Costa
Rica. – Ich tauchte ein in immergrüne Nebelwälder an der Küste.
Hält sich der Teufel fern von Orchideen? – Wenn ich das wüsste!,
Verführte ich wohl meinen Geist zu lieben Kletterer und Würger.
Könnt ich mich wandeln wie ein Feuer, möcht ich Asche werden,
Wenn mir die Uhr nicht weiter schlagen will und stille steht
Die Zeit: Fanal, das uns vernichten will und schweigt – zu Wassern,
Unnatürlich warm, Ölteppichen und Algenpest, zu Meereshassern,
Die, mit Wind und Wellen –, Endplastiklager im Pazifik schaffen.
Wär ich aus Liebe nur gemacht, dann könnt ich dich erweichen.
Und, cooler noch als du, dir gar das Wasser reichen ...
In einem Glas, darin der Sturm sich künstlich plustert.
Wär ich Soldatin, hätt man mich längst ausgemustert,
Weil ich zertrümmert hätt in der Kaserne alle Kriegsgewehre.
Wär ich ein Warnschild, stünde drauf:
Kommt mir ruhig in die Quere!
Dünung = moderater Seegang mit langen Wellen, entstanden aus einem Windsee
Kletterer und Würger = Schlingpflanzen im tropischen Regenwald
Kommentare
"Gefallen" regt mich bei Soldaten immer auf -
Man meint, sie stehn gleich wieder auf ...
LG Axel
Danke für Deinen Kommentar. Es wundert mich sehr, dass niemand verstehen kann, dass sich Wolfgang Borchert an ALLE Menschen gewandt hat, "Nein" zum Krieg zu sagen (es geht EINDEUTIG aus seiner Aussage hervor). Das würde auch die Bundesregierung begrüßen, weil sie dann nicht länger Horrorsummen für die Verteidigung aufwenden müsste. Man wäre gezwungen, sich verbal zu einigen. Das wäre ein Riesenfortschritt für die gesamte Menschheit. Aber wahrscheinlich ist manchen Menschen das Leben dann nicht aufregend genug. Manche Leute brauchen Krieg. Und es ist eine Schande, dass Menschen die besondere Sensibilität und Intelligenz des W. Borchert immer noch nicht erkannt haben. Meines Erachtens sind solche Leute entweder ganz besonders abgefeimt - oder sie haben sein Werk entweder nicht gelesen oder, was noch schlimmer ist, nicht begriffen. Man könnte auch sagen: Stell Dir vor, es ist Krieg - und niemand geht hin.
LG Annelie
Ein ausgezeichnetes Prosagedicht mit Tiefgang. Die Zeit: Fanal, das uns vernichten will, wir hören weg und halten still, wie wahr. Es gibt allerdings viele durchaus friedfertig denkende und handelnde Menschen, die sich mit Borchert nicht so gut auskennen wie Du. Dazu zähle ich mich auch, habe mich zwar vor langer Zeit sehr von: „Draußen vor der Tür“ beeindrucken lassen, werde mich aber nun umgehend noch einmal mit seinen Kurzgeschichten und Gedichten befassen. Viel Zeit blieb dem mit 26 Jahren Verstorbenen ja nicht zum Schreiben ... ich danke Dir für die Anregung dazu, liebe Annelie.
Liebe Grüße zu Dir - Marie
Danke, liebe Marie, für Deinen verständnisvollen Kommentar. Wolfgang Borcherts Werk ist deshalb ja auch sehr schmal und darüber hinaus sehr berührend, erschütternd und wahrhaftig. "Unterwegs - Generation ohne Abschied", "Das Brot", "Dann gibt es nur eins!": Sein großer Aufruf, die Waffen schweigen zu lassen, ach, eigentlich all seine Kurzgeschichten und auch Gedichte sind mehr als nur lesenswert: Sie sind ein Erlebnis, das Du nicht so schnell wieder vergessen wirst. "Die Ausgelieferten" (Die Hundeblume). Ich hatte eine fantastische Deutschlehrerin, die uns auch Brecht ans Herz gelegt hat. Ich kann nicht dankbar genug für diese Lehrerin sein, die unendlich viel dazu beigetragen hat, dass ich all diese inhaltlich wertvollen Bücher gelesen habe. Selbstverständlich gibt es friedfertige Menschen, die Borchert NICHT gelesen haben. Das habe ich niemals bezweifelt. Ich habe ja auch nicht alles von Alexander Mitscherlich gelesen, zum Beispiel "Die Idee des Friedens und die menschliche Aggressivität", das ich aber heute beginnen werde. Ich kann mich an einen Tag erinnern, an dem "Draußen vor der Tür" im Fernsehen gezeigt wurde. Da war ich ungefähr 18 Jahre alt. Und meine damalige Chefin (neben anderen), Anngret Magens, Rechtsanwältin, die so gut wie nie ferngesehen hat, eine schmale, hübsche kleine Frau um die 40, sagte zu uns, als sie unverhofft und zu später Stunde noch ein Mandant dringend sprechen wollte: So ein Mist; und gerade heute wollte ich unbedingt "Draußen vor der Tür" sehen. Ich muss dazu sagen, dass sie auch noch half, den Bauernhof zu bewirtschaften, der dem Ehepaar Magens gehörte und dass sie eine gute halbe Stunde von Glückstadt entfernt dort lebte und immer extrem vorsichtig und langsam mit ihrem Auto über die Dörfer fuhr, worüber man sich manchmal - nicht gehässig - ein wenig lustig machte.
Liebe Grüße zu Dir,
Annelie
Liebe Annelie,
Dein tiefgründiges Werk beeindruckt mich sehr.
Die starken Emotionen, die darin zum Ausdruck kommen sind ein Plädoyer für Besonnenheit, Friedfertigkeit und Frieden, ein Appell an die Vernunft, aus den Fehlern der Vergangenheit endlich zu lernen, um die richtigen Konsequenzen zu ziehen, sodass Krieg keine Option mehr darstellen sollte.
Wolfgang Borchert habe ich durch die Schullektüre "Das Brot" und "Nachts schlafen die Ratten doch", kennen gelernt.
Beides wunderbare Werke, deren Dimension ich damals als Kind nicht erfassen konnte. Da ich mich noch nicht sehr lange mit Literatur und Poesie befasse, habe ich da einiges nachzuholen und Wolfgang Borchert gehört, dank Dir, definitiv, mit auf die Liste. Danke dafür. :)
Herzliche Grüße,
Ella
Liebe Ella, ganz herzlichen Dank auch Dir für Deine lieben Zeilen. In Nachwort zu Borcherts Werk stehen als letzte Worte, die ich Dir gerne schreiben möchte: "Die Hoffnung, dass dieses "Sag NEIN!" einmal allgemein in der Welt werden wird, ist gering. Und es ist beschämend genug, dass sich eine solche Hoffnung nicht auf die menschliche Vernunft, nicht auf die Liebe gründen kann, sondern allein auf eine panische kreatürliche Angst. Gleichgültig aber, ob Borcherts Schrei immer wieder nutzlos verhallt, wer noch Verantworung in sich trägt, wer dem Leben noch Ehrfurcht entgegenbringt, muß ihn unermüdlich, unerbittlich stets aufs Neue wiederholen: "Sag NEIN!" - Das ward geschrieben im Jahr 1957, als der Schrecken des 2. Weltkrieges der Menschheit noch mehr oder weniger in den Knochen steckte. Bald wird auch dieser Krieg in Vergessenheit geraten und es werden neue Kriege entfacht werden (wie ja längst in anderen Ländern geschehen) - - wenn WIR nicht "NEIN" sagen.
Herzliche Grüße an Dich zurück,
Annelie
Ein vielschichtiges und beeindruckendes Gedicht, liebe Annelie; aus den Möglichkeitsformen dann, durch unerschütterliches Dranbleiben, irgendwann Wirklichkeit werden lassen." Wäre ich aus Liebe nur gemacht, dann könnt ich dich erweichen", starke und weise Aussage - ich glaube, darin liegt der Schlüssel... Ein lieber Gruß an Dich von Ingeborg
Liebe Ingeborg, auch ich fand den Schlüssel erst, nachdem ich diesen Satz geschrieben habe. Er flog mir in Gedächtnis, und ich schrieb ihn, fast ohne nachzudenken, nieder. Als ich ihn dann las, fand ich ihn gut. Soeben las ich bei Mitscherlich, dass, sofern der Mensch nicht in einem Krieg mit Wehr und Waffen (aus)stürbe, er seinen Tod in einer der Naturkatastrophen fände, die er selbst verursacht habe. Soeben fand ich auch in einem Buch von Alexander Mitscherlich die beiden Sätze: "Regelmäßig hört man am Ende eines kriegerischen Konflikts, so etwas dürfe sich nie wiederholen. Die kriegerischen Verwicklungen seither beweisen, dass das Opfer von 30 Millionen Menschen auf beiden Seiten des Zweiten Weltkriegs keine vorbeugende Wirkung auf andere Konfliktfelder und andere Konfliktgegenden ausgeübt hat." - Wann lernt der Mensch, dass Kriege keinen Frieden bringen? Ich danke Dir ganz lieb für Deinen guten Kommentar.
Liebe Grüße an Dich,
Annelie
Danke, lieber Ephraim; Dein Lob freut mich wirklich sehr.
Liebe Grüße,
Annelie