Frühlingsgesang

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Wenn Frühling nun käme …
und nähme all den Winterschmerz
von deinem Herzen, darin
er sich eingenistet hat wie ein
hartnäckiges Geschwür, dann …
ja dann würde dir vielleicht zumut,
als hätten er und der Sommer
dich niemals verlassen ...

Heller würden deine Tage verfliegen –
wie weiße Vögel unter dem Schatten
wiederkehrender Winter, und wärmer
würd strahlen dein leuchtender Blick ...
Glanz läge auf deinem Haar und deine
Seele flöge gen Himmel ...

Die stolze Traurigkeit der Reisezüge
wäre Vergangenheit: unter einer Sonne,
die einen neuen Rhythmus erfände – und ein
heiteres ungestümes Meer würd rauschen,
während Landschaften im Glast des Glücks
dein Aug täuschten im flüchtigen Vorüberwehn.

Setz ihn fort, diesen Frühlingsgesang
setz ihn fort, mein Orpheus …
mit halb geschlossenen Lidern kann der Tod
dir nicht ins Aug schauen –.
Das Herz der Rose ist voller Liebe und süß
treibt dir ihr Dorn Eurydikes Geheimschrift
unter die Haut.

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