Ausatmen

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von Marie Mehrfeld

Vom Fenster aus sah sie ihn, wie er die Straße querte
in seinem immer noch leicht verschliffenen Schritt, nur

ging er krummer und der Kopf war unbehaart, die Luft
hielt sie an, kreuzte die Finger hinter dem Rücken und

verhängte den Spiegel, das Wilde scheint er verloren
zu haben, dachte sie nicht ohne Häme, doch was war mit

dem Kern seines kruden Wesens, dem hellgrünen Blick,
gegen den sie sich nicht hatte wehren können vor langer

Zeit, von oben konnte man ihn nicht sehen, diesen Blick,
hastig aufbrechen wollte sie, ihm nachlaufen, ihn schlagen,

mitten in sein vielleicht immer noch schönes Gesicht, mit
blanker Hand, ich, dir, so, wie du mir, Auge um Auge, doch

er verschwand zu schnell hinter der nächsten Straßenecke,
und sie zog sich mit einer gewissen Erleichterung darüber,

dass sie es nur gedacht hatte, wieder in ihr Zimmer zurück,
vergrub die alte Schmach und Wut tief im Nebel des nicht

wissen Wollens, packte genug Lagen bunter Bilder darüber,
nahm das Tuch vom Spiegel und sagte zu sich selbst, gut,

dass es vergangen ist, friedlich fühle ich mich, segnet, die
euch verfluchen, tut wohl denen, die euch hassen, blies

gelassen in den bauchigen roten Becher, der wie stets voll
gefüllt war mit heißem Brombeerblättertee, und atmete aus.

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