Vom Fenster aus sah sie ihn, wie er die Straße querte
in seinem immer noch leicht verschliffenen Schritt, nur
ging er krummer und der Kopf war unbehaart, die Luft
hielt sie an, kreuzte die Finger hinter dem Rücken und
verhängte den Spiegel, das Wilde scheint er verloren
zu haben, dachte sie nicht ohne Häme, doch was war mit
dem Kern seines kruden Wesens, dem hellgrünen Blick,
gegen den sie sich nicht hatte wehren können vor langer
Zeit, von oben konnte man ihn nicht sehen, diesen Blick,
hastig aufbrechen wollte sie, ihm nachlaufen, ihn schlagen,
mitten in sein vielleicht immer noch schönes Gesicht, mit
blanker Hand, ich, dir, so, wie du mir, Auge um Auge, doch
er verschwand zu schnell hinter der nächsten Straßenecke,
und sie zog sich mit einer gewissen Erleichterung darüber,
dass sie es nur gedacht hatte, wieder in ihr Zimmer zurück,
vergrub die alte Schmach und Wut tief im Nebel des nicht
wissen Wollens, packte genug Lagen bunter Bilder darüber,
nahm das Tuch vom Spiegel und sagte zu sich selbst, gut,
dass es vergangen ist, friedlich fühle ich mich, segnet, die
euch verfluchen, tut wohl denen, die euch hassen, blies
gelassen in den bauchigen roten Becher, der wie stets voll
gefüllt war mit heißem Brombeerblättertee, und atmete aus.
Kommentare
Wundervoll, du Marie! Bin richtig beeindruckt und freue mich mit dir, was dir wieder für ein gutes Gedicht gelang.
LG Uwe
Danke für Deine - wie stets besonders herzlichen - Worte, Uwe.
Liebe Grüße!
Marie
Ja, an dem Text ist echt was dran!
(Bloß der Tee kam nicht gut an ...)
LG Axel
Die magischen Kräfte der Brombeerblätter,
sie stärken die Kräfte bei jedem Wetter …
(Besseres fiel mir nicht ein, lieber Axel)
LG Marie
Ich trink gern Tee - so dann und wann -
Bloß bei Frau Krause kam's nicht an ...
LG Axel
Manchmal ist Auseinandergehen die beste Entscheidung. Und wenn es dann auch noch so schön poetisch dargelegt wird, umso besser. :)
Herzliche Grüße
Ella
Danke, Ella; Du findest immer einen weisen Kommentar, auch für diese Momentaufnahme einer überwundenen Liebesenttäuschung …
Herzliche Grüße zurück -
Marie
Riesengroßes Leseerlebnis gehabt. Dankeschön.
HG Olaf